Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Titel: Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
Autoren: Leif GW Persson
Vom Netzwerk:
mit einer Glückshaube zur Welt gekommen war, alle Kämpfe, an denen er teilnahm, überleben würde.
    So steht es tatsächlich in diesem Konversationslexikon, Kämpfe, an denen »er« teilnimmt, und obwohl ich erst fünf Jahre alt bin, verstehe ich, dass Mädchen nicht mit Glückshaube zur Welt kommen können. Dieses Privileg ist uns Knaben vorbehalten. Vielleicht ist es auch ein Ausdruck dafür, dass Mädchen und Frauen nicht kämpfen sollen. Jedenfalls nicht auf diese handgreifliche Art und Weise, die darin besteht, jemandem, dem man nie zuvor begegnet ist, ein Bajonett in die Eingeweide zu rammen.
    Wie auch immer: Es ist keine schlechte Gabe, als Seher, Glückskind und Gesundbeter zur Welt zu kommen, außerdem unverletzbar und unbesiegbar. Gesundbeter, Seher und Sieger, mein Herz klopft bereits erwartungsvoll, weil ich Großes im Dienste der Menschheit vollbringen werde.
    »Sei vorsichtig mit den Büchern der Alten«, sagt Mama, als sie mit dem Putzeimer vorbeikommt. »Keine Eselsohren, sonst kriegt sie einen Anfall.«
    Erst Jahre später kommen mir Zweifel. Das Leben, das ich bislang geführt habe, entspricht so gar nicht den Prophezeiungen meiner Mutter.
    Ich spreche mit meinem Vater Gustav unter vier Augen darüber. Er schüttelt den Kopf und zuckt zweifelnd mit den Schultern. An eine Glückshaube könne er sich nicht erinnern, jedenfalls habe ihm meine Mama Margit nichts davon erzählt. Ganz sicher ist er jedoch nicht, denn er war bei der Geburt nicht zugegen und hat meine erste Offenbarung nicht mit eigenen Augen beobachtet.
    »Damals musste man ja noch auf dem Korridor warten, wie du sicher weißt. Also, bis es vorbei war.«
    Ich begnüge mich damit zu nicken.
    »Du weißt, wie das mit Mama sein kann«, sagt er begütigend und schüttelt erneut den Kopf. »Das Wichtigste ist doch wohl, dass es dir gut ergangen ist. Wer weiß, vielleicht ist es ja wahr?«
    Seine Antwort weckt neue Fragen. Und zwar noch weit später über den Wahrheitsgehalt dessen, was ich gerade niedergeschrieben habe. Ist das hier eine Autobiografie, ein Roman oder vielleicht etwas anderes?
    Bei der Beschreibung meines gesellschaftlichen Aufstiegs habe ich es natürlich vermieden zu lügen. Ich habe versucht, die Probleme, die ich anderen durch normale Nachlässigkeit verursachte oder durch alles Böse, das ich ihnen im Verlauf der Jahre zugefügt habe, indem ich manchmal so verbohrt war, dass ich mich meiner schlechtesten Seiten bedient habe, nicht zu verschweigen. Ich habe nicht einmal versucht, mein Versagen, meine Schwächen oder normale, einfache Peinlichkeiten zu verschweigen oder zu beschönigen. Aus denselben Gründen habe ich auch versucht, meine Erfolge nicht zu übertreiben und keine neuen zu erfinden.
    Soweit ist in biografischer Hinsicht alles schön und gut. Die Probleme sind andere und weitaus schlimmere. Sie betreffen alles, was ich verdrängt, vergessen oder missverstanden habe. Hinzu kommt, dass ich auf Erzählungen älterer Personen in meiner Nähe, meiner eigenen Mutter beispielsweise, über mein Leben angewiesen bin.
    Noch schlimmer ist meine Neigung, Lügengeschichten zu erzählen oder gute Geschichten, die mich umgeben, egal, ob sie mir jemand erzählt hat oder ob sie meinem eigenen Leben entspringen, ein wenig zu verbessern. Genauer gesagt von meinem eigenen Erleben meines eigenen Lebens.
    Am schlimmsten ist jedoch das angsterfüllte, zwanghafte Kontrollbedürfnis, das mich angetrieben hat, als ich meine wissenschaftlichen Bücher und Artikel schrieb. Ich habe meine eigenen Fehlannahmen immer wieder korrigiert, habe jedes einzelne Komma überprüft und bin mitten in der Nacht aufgewacht, hellwach und in kalten Schweiß gebadet, weil mich ein weiterer Einwand im Schlaf überfallen hatte.
    In dieser Zeit habe ich neun Romane über Verbrechen geschrieben, wobei es mir nicht so sehr darum ging, meine Erfahrungen aus meinem Berufsleben zu verwerten. Ich habe sie aus einem viel einfacheren Grund geschrieben, um Druck abzulassen, ein Ventil zu öffnen, um meine eigene Angst zu lindern, meine eigenen Seelenqualen, damit mich die Angst, etwas falsch zu machen, nicht ersticken würde. Denn beim Schreiben eines Romans bin ich ausnahmsweise einmal Herr der Wirklichkeit und kann ganz allein und bis ins kleinste erfundene Detail über die Realität entscheiden, die ich beschreibe.
    Als Gustave Flaubert 1857 seinen Roman »Madame Bovary« veröffentlichte, klagte man ihn des Verstoßes gegen die guten Sitten an. Der im Roman
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher