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Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens
Autoren: Christian Endres
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Mal.
»Was?« Lemis Lächeln wurde zu einem Grinsen. »Dachtest du, ich wüsste es nicht? Bitte. Sei doch nicht immer so naiv. Die Kirche hat ihr Netzwerk, wir haben unseres. Und manche Neuigkeiten verbreiten sich schneller als Filzläuse. Ich hab dich nie aus den Augen verloren, nachdem ich den Orden verlassen habe. Wie hätte ich sonst so schnell von deinem Hiersein erfahren sollen? Oder dass du mir die Jagam vom Hals schaffst, wenn ich sie auf deinen bleichen Freund hetze?« Die erhitzte Dolchspitze deutete anklagend auf Lorns nackte Brust. »Ich wusste, dass du mir eines Tages nützlich sein würdest. Du, der ach so fehllose, aber am Ende trotzdem gefallene Wunderknabe. Der Stolz von Justica. Ha! « Wahnsinn und Hass verzerrten Lemis' aristokratische Züge. »Zugegeben: In den letzten Jahren war es nicht immer leicht, deiner Spur zu folgen, aber ... ach, was soll's. Jetzt bist du hier, und darauf kommt es an, mh?«
»Du ...«
»Ja ja, ich bin Abschaum, ein Verräter an der Menschheit, ein Ketzer, und so weiter, und so fort – und ob mir unsere Freundschaft denn gar nichts bedeutet?« Lemis schmunzelte. »Ehrlich gesagt: Nein. Außerdem – du kommst hier eh nicht weg, also spar dir die Mühe, mich hinzuhalten. Die Stricke sind nicht locker, die Bretter nicht marode, du hast kein verborgenes Messer im Arsch stecken – und du bist halb nackt und geschwächt. Und bevor ich's vergesse: Deine Schulter war vor kurzem übel zugerichtet, du hast immer noch Schmerzen, das Gift lähmt dich. Und deine Rüstung liegt fünf Meter neben dir – du bist kein Zauberer, du kamst allein, wir sind viele, unsere Zahl verglichen mit dir beinahe Legion ... soll ich weiter machen, oder beenden wir es einfach hier und jetzt?«
Lorn suchte den Blick seines ehemaligen Freundes.
»Warum?«, fragte der Jagam rau.
»Warum ich dich töten werde?«
Lorn schüttelte den Kopf, nickte dann aber sogleich. Die beiden Fragen hingen miteinander zusammen, vermutete er.
»Weil ich es kann , mein Freund!«
Lemis strahlte nunmehr über das ganze Gesicht. Der Irrsinn ging wie eine Doppelsonne in seinen Augen auf. »Und weil auf deinen Kopf ein hoher Preis ausgesetzt ist. Nichts gegen meine blutsaugenden Freunde hier, aber ... ich will kein Vampir werden, nur um Unsterblichkeit zu erlangen. Ich will ein Priester der Sieben Höllen werden, ein vollwertiger Diener der Sieben Prinzen. Und du, alter Freund, du wirst das Opfer sein, das meinen Aufstieg beschleunigt.« Lemis hob den Dolch.
Lorn starrte seinem Ende an der Spitze der Klinge seines früheren Waffenbruders ohne Furcht entgegen.
Seine letzten Gedanken galten all den Menschen, die er vor vielen, vielen Jahren in der Asche seiner niedergebrannten Heimat verloren hatte.
Einschließlich seiner selbst.
»Vielleicht erwecke ich dich ja als Sklaven wieder«, sagte Lemis noch einmal, bevor er nach vorn trat.
In diesem Moment sprang eine Gestalt aus dem Halbkreis der wartenden Jungvampire, die das Schauspiel gebannt verfolgten.
Eine blasse Hand schloss sich eisern um Lemis' Handgelenk und riss ihn brutal – und scheinbar ohne Mühe – zurück.
»Und vielleicht stirbst du auch einfach nur heute Nacht, Arschloch«, flüsterte Visco DeRául mit kalter Grabesstimme.
Er zog sein Rapier von hinten über Lemis Orasas Hals und öffnete die Kehle des Richters.
Daraufhin herrschte für einige Augenblicke Stille im Gewölbe. Die Welt holte Atem, verarbeitete diese Wendung.
Dann brach im Keller die Hölle los ...
*
    Visco war den anderen Vampiren haushoch überlegen. Nicht nur, dass sie unbewaffnet waren und nicht mit Gegenwehr oder gar einem wilden, wütenden Angriff gerechnet hatten. Auch waren sie von Viscos brutalem Einschreiten völlig überrumpelt.
Viscos Augen glühten vor Wut, als er wie ein schwarz gewandeter Todesengel zwischen die Vampire rauschte und sein Rapier in alle Richtungen zuckte. Er trennte Köpfe von Hälsen und stieß mit Ausfallschritten wie aus dem Lehrbuch zielgenau nach verlangsamten Herzen, die gelegentlich für die Finsternis schlugen.
Fünf Vampire fielen so unter seiner schmalen Klinge, ehe auch nur einer von ihnen seine eigene Waffe zog – Visco hackte dem entsprechenden Kerl prompt die dazugehörige, das Stilett umklammernde bleiche Hand ab und durchbohrte mit einem zweiten sauberen Stich das Herz des jung aussehenden Vampirs, der vor den Augen seiner Genossen neben der Leiche des Richters zu dunklem Staub zerfiel.
Das genügte, um den Willen zum aufkeimenden Widerstand der anderen
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