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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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die Regenflut nicht mehr bewältigten.
    Hundertfünfzig Meter vor ihm fuhr ein blauweißer Feuerstrahl in den Weg. Bruno war einen Moment geblendet; ein knallharter Donnerschlag ließ sein Trommelfell schmerzen. Eine Stichflamme züngelte auf und erlosch wieder. Krachend legte sich ein Baum über den Weg. »Auch das noch!« rief er aufstöhnend und stoppte. Der Baumstamm war nicht dick, aber sein verzweigtes Geäst machte eine Weiterfahrt vorerst unmöglich. Er wollte warten, bis der Regen nachließ, und dann das Hindernis beseitigen.
    Nachdem er Scheinwerfer und Motor abgeschaltet hatte, zündete er sich eine Zigarette an und versuchte bei trübem Innenlicht, das Dorf auf einer Karte ausfindig zu machen. Hintergeißberg war nicht eingezeichnet, doch nach seinen Berechnungen konnten es nur noch wenige Kilometer sein. Ich werde den Kram noch heute umladen und zurückfahren, beschloß er. Er rechnete mit drei- bis vierhundert Mark Gewinn.
    Es ging bereits auf Mitternacht zu. Das Gewitter hielt mit unverminderter Heftigkeit an. Immer wieder zuckten Blitze, erhellten für Augenblicke die trostlose Umgebung. Das Warten so kurz vor dem ersehnten Ziel machte ihn nervös. Obwohl er kein starker Raucher war, paffte er eine Zigarette nach der anderen. Im Wagen war es so sehr verqualmt, daß er das Fenster öffnen mußte. Regen pladderte herein.
    Auf einmal stutzte er. Einen Moment war es ihm, als bewegten sich am rechten Wegrand zwischen den Bäumen funkelnde Lichter. Er beobachtete die Stelle, glaubte schließlich, sich getäuscht zu haben. Es konnten Glühwürmchen gewesen sein. Eine Minute, verging, als die Lichtpunkte erneut zu sehen waren. Deutlich bemerkte er zwei funkelnde Lichter, Augen ohne Körper. Ein paar Meter von ihm entfernt mußte ein Tier hokken.
    Es wird ein Fuchs oder ein Wildschwein sein, dachte er und drückte einige Male auf die Hupe. Ihr trockener Ton gellte durch den nächtlichen Wald, doch das eigentümliche phosphoreszierende Leuchten blieb. Allmählich wurde ihm die Situation fatal, zumal sich gerade an dieser Seite das defekte Fenster befand, das immer wieder nach unten sackte. Bruno suchte im Handschuhfach nach seinem Rasiermesser. In diesem Augenblick bewegten sich die Lichtpunkte auf ihn zu, blieben nur einen knappen Meter vor dem geöffneten Fenster stehen. Er wagte nicht, sich zu rühren, bemühte sich vergeblich, die Umrisse des Tieres zu erkennen.
    Plötzlich fielen Donner und Blitz zusammen. Eine Sekunde lang leuchtete die Silhouette des Waldes gespenstisch auf. Im zuckenden Schein der Blitze glaubte Bruno ein Wesen erkannt zu haben, das dem Fabelreich entstiegen sein mußte. Das Tier war groß wie ein Schäferhund, jedoch von so seltsamer Form und Farbe, wie er es noch niemals gesehen hatte.
    Bruno fühlte, wie ihm der Schweiß von der Stirn perlte. Das Unwetter, die Finsternis und das Bewußtsein, sich allein im Wald zu befinden, lösten Panik in ihm aus. Er vergaß das offene Fenster, wühlte, den Blick auf die unheimlichen Augen gerichtet, nervös im Handschuhfach. Wieder erhellte ein Blitz die Umgebung. Ihm kam der absurde Gedanke, das Tier könnte eine überdimensionale Heuschrecke sein. Er glaubte, acht oder zehn behaarte Beine gesehen zu haben, einen mit scharlachroten Schuppen bedeckten Körper, darauf einen kleinen, spitzen Kopf mit schwarzen Nasenlöchern und den funkelnden Augen.
    Wo steckte nur das verdammte Rasiermesser? Bruno wollte das Fenster hochdrehen, als etwas geschah, was ihn erstarren ließ. Das Vieh hatte seine drahtigen Beine auf die Fensteröffnung gelegt. Die Kurbel drehte sich einige Male, die Scheibe sackte vollends nach unten. Unwillkürlich preßte sich Bruno gegen den Rücksitz, hob abwehrend die Hände. Ein verzweifelter Hilfeschrei kam über seine Lippen, als sich das Untier durch die Öffnung zwängte. Im Wageninnern verbreitete sich ein widerlicher Geruch.
    Seine Abwehr gegen das Ungeheuer war kraftlos und kam auch viel zu spät. Er vernahm ein zischendes Geräusch, fühlte einen Schlag auf den Arm. Spitze Krallen bohrten sich schmerzhaft in die Brust. Schon einer Ohnmacht nahe, verspürte er am Hals einen brennenden Schmerz, dann erlosch sein Bewußtsein.
2
    Er erwachte in einem eigentümlichen Zustand, wußte zuerst nicht, ob er schlief oder träumte. Sein Hals und das Schultergelenk steckten in einem dicken Mullpolster. Auch das rechte Handgelenk hatte ihm jemand sorgfältig verbunden. Brunos erster Gedanke war, sich in einem Lazarett zu befinden.
    Es
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