Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
Vom Netzwerk:
– mein Name ist Pulex, Professor von Pulex. Die Wissenschaft, dies nebenbei, wird diesen Namen nicht vergessen. Darüber später mehr, erst möchte ich Sie wieder einsatzfähig machen. Was wollen Sie noch wissen? Wo Sie sich befinden? Plath, Plath, Sie scheinen mir ein rechter Schelm zu sein. Wir sahen uns gestern gezwungen, eine Bluttransfusion an Ihnen vorzunehmen. Ein kostspieliges Unterfangen, denn richtiges Blut, mein Lieber, ist bei uns zur Zeit Mangelware. Ich hoffe, unser Opfer wird sich bezahlt machen. Möchten Sie noch was wissen?«
Wieso bin ich seiner Meinung nach ein rechter Schelm, überlegte Bruno, und warum redet er so merkwürdig überkandidelt? Ob mich der Professor mit jemandem verwechselt? Er beschloß, vorsichtig zu sein, bedankte sich noch einmal für die Hilfe und erfuhr, daß seit dem Überfall zwei Tage vergangen waren.
Professor von Pulex beendete die Visite. »Ich werde Sie wieder auf die Beine bringen«, beteuerte er noch einmal und fügte orakelhaft hinzu: »Es wird zu unser aller Nutzen sein, denn Großes geschieht und noch Größeres wird geschehen. Die Tür ist aufgestoßen… Caramallum wird Ihnen nachher eine kräftige Suppe bringen. In einigen Tagen treffe ich dann meine Entscheidung.«
»Ich würde gern mit meinem Auto nach Hause fahren, sobald ich mich etwas besser fühle«, wandte Bruno zaghaft ein, »mein Hausarzt könnte mich weiter behandeln.«
»Ihr Hausarzt?« erkundigte sich der Professor im Ton höchsten Erstaunens. »Habe ich richtig verstanden. Sie wollen sich von Ihrem Hausarzt weiter behandeln lassen?« Als hätte sein Patient etwas Ungebührliches verlangt, blickte er konsterniert auf seinen Wärter.
»Ich drehe ihm das Genick um«, kreischte dieser erbost, »nach Hause, will sich vom Onkel Doktor Hustensaft verschreiben lassen. Elende Wanze, ehrloser Mistkäfer, lächerliche Fleischbeilage, Wurmfortsatz, Widerling… Noch einmal solche Töne, und ich bringe dich in den Zwinger zu Titus!«
»Schweig, Caramallum«, befahl der Professor, »ich mag solche Vokabeln nicht. Noch ein Wort, und ich bestrafe dich mit drei Tagen verschärftem Arrest!«
Caramallum duckte sich, als habe er Schläge bekommen.
Von Pulex nickte Bruno aufmunternd zu. »Keine Angst, Plath, Sie sind bei mir gut aufgehoben, den Hausarzt brauchen wir nicht.« Von dem Wärter begleitet, trippelte er hinaus. Das Türschloß schnappte ein.
Entweder sind die beiden verrückt, oder ich selber habe den Verstand verloren, sinnierte Bruno. Aber ich bin doch Bruno Plath, ehemaliger Gefreiter, Friseur von Beruf. Ich befand mich auf dem Weg nach Hintergeißberg. Mein Gott, wohin bin ich nur geraten? Er lauschte auf die sich entfernenden Schritte, hörte, wie der Professor etwas befahl. Das sonderbare Gerede des Herrn von Pulex und die Beschimpfungen des Wärters machten seinen unfreiwilligen Aufenthalt in diesem geheimnisvollen Gebäude beängstigend. Ein Held war er nie gewesen, hatte es auch niemals sein wollen. Jetzt aber konnte er sich nicht einmal verstecken, war seinen unheimlichen Gastgebern hilflos ausgeliefert.
Er gab sich alle Mühe, wach zu bleiben, befürchtete fortwährend, Caramallum könnte zurückkommen und seine Drohungen wahr machen. Doch sein Wille erlahmte bald; die Augen fielen ihm zu, er schlummerte ein.
    Als er zum zweiten Mal erwachte, brannte Licht im Saal. Die Fenster waren mit schwarzen Rollos verdunkelt. Ein Duft von Maggiwürze stieg ihm in die Nase. Neben dem Bett, auf einem Stuhl, stand eine Schüssel mit Suppe, daneben ein Teller mit Weißbrot und ein Glas Rotwein. Auch andere unentbehrliche Utensilien für einen Kranken hatte der Wärter gebracht: ein Nachtgeschirr, eine Schüssel Wasser, Handtuch und Seife.
    Der Schlaf hatte ihn erfrischt, die Schmerzen in der Schulter waren erträglich geworden. Heißhungrig verzehrte er die Suppe und das Brot, trank das Glas Rotwein in einem Zuge. Nach einer Ruhepause wagte er einige Schritte durch den Raum. Die Knie wankten noch, aber er wußte aus Erfahrung, wie wichtig es war, den Körper zu belasten. Bruno war entschlossen, sein gespenstisches Domizil so bald wie möglich zu verlassen.
    Am Fußende des Bettes entdeckte er seine Kleidung. Bis auf die Papiere hatte man ihm alles gelassen. Er fand einen Handspiegel, sein Taschenmesser, ein Stückchen Draht, das Feuerzeug und sogar Zigaretten- und Lebensmittelkarten. Als er in den Spiegel blickte, verdroß ihn sein unrasiertes Gesicht. Mit der dicken Mullbinde am Hals kam er sich wie ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher