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Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Titel: Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung
Autoren: Mark Boyle
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zu können. Wir waren bloß zwei kleine Fische in einem massiv verschmutzten Meer. An diesem Abend wurde mir klar, dass diese Symptome globaler Störungen nicht so wenig miteinander zu tun hatten, wie ich zuvor angenommen hatte, und eine Hauptursache sie wie ein roter Faden verband: unsere Distanziertheit von den Dingen, die wir konsumieren. Müssten wir alle unsere Lebensmittel selbst anbauen und züchten, würden wir nicht ein Drittel davon wegwerfen. Müssten wir unsere Tische und Stühle selbst anfertigen, würden wir sie nicht entsorgen, sobald wir uns neu einrichten. Könnten wir den Gesichtsausdruck eines Kindes sehen, das unter den Augen eines bewaffneten Soldaten den Stoff für das Kleidungsstück zuschneidet, das wir irgendwann später in einem Geschäft in der Innenstadt kaufen, würden wir wahrscheinlich darauf verzichten. Könnten wir sehen, unter welchen Bedingungen ein Schwein geschlachtet wird, würde den meisten von uns das Schinkenbrot im Hals stecken bleiben. Müssten wir unser Trinkwasser selbst reinigen, würden wir, verdammt noch mal, keine Kloake daraus machen.
    Menschen sind nicht von Grund auf zerstörerisch veranlagt; ich kenne nur sehr wenige Leute, die Leid verursachen wollen. Doch die meisten von uns haben nicht die leiseste Ahnung, dass unsere täglichen Einkaufsgewohnheiten so zerstörerisch sind. Das Problem ist, dass die meisten von uns diese schrecklichen Prozesse niemals sehen und die Menschen, die unsere Waren produzieren, niemals kennenlernen werden, geschweige denn die Waren selbst produzieren müssen. Einige Hinweise darauf geben die Nachrichtenmedien und das Internet, doch deren Effekt ist gering; ihre Auswirkungen werden durch die emotionalen Filter der Glasfaserkabel stark gebremst.
    Nachdem ich zu diesem Schluss gelangt war, wollte ich herausfinden, wodurch diese extreme Distanziertheit von dem, was wir verbrauchen, möglich wurde. Die Antwort war am Ende ganz einfach. In dem Moment, in dem das Werkzeug, das wir »Geld« nennen, ins Spiel kam, änderte sich alles. Die Einführung des Geldes schien eine großartige Idee zu sein, und 99,9 Prozent der Weltbevölkerung sind noch immer diese Ansicht. Das Problem ergibt sich aus dem, wozu Geld geworden ist und welche Dinge es uns zu tun ermöglicht hat. Es versetzt uns in die Lage, uns von dem, was wir konsumieren, und von den Menschen, die die Produkte herstellen, komplett zu distanzieren. Der Grad der Distanziertheit zwischen Verbraucher und Konsumgut hat seit dem Aufstieg des Geldes massiv zugenommen und ist, aufgrund der Komplexität der heutigen Finanzsysteme, größer als je zuvor. Marketingkampagnen werden speziell so konzipiert, dass sie diese Realität vor uns verbergen; und mit Milliarden von Dollars im Rücken gelingt ihnen das hervorragend.
    Geld als Schulden
    In unserem modernen Finanzsystem findet die Geldschöpfung überwiegend bei Privatbanken statt, und zwar in Form von Schulden. Stellen Sie sich vor, es gäbe nur eine Bank. Herr Schmied, der bisher sein Geld unter der Matratze aufbewahrt hat, beschließt, seine Ersparnisse, 100 Kaurimuscheln, bei der Bank zu deponieren. Natürlich will die Bank daran auch verdienen und beschließt daher, einen Teil der Kaurimuscheln von Herrn Schmied zu verleihen, sagen wir 90 Stück, und hält zehn in ihrer Truhe zurück für den Fall, dass Herr Schmied etwas Geld abheben will. Ein anderer Herr namens Meier braucht ein Darlehen. Er geht zur Bank und freut sich darüber, dass er Herrn Schmieds 90 Kaurimuscheln bekommt, die er irgendwann mit Zinsen zurückzahlen muss. Herr Meier nimmt die Kaurimuscheln und kauft dafür Brot bei Frau Bäcker. Gegen Abend bringt Frau Bäcker ihre neu erworbenen 90 Kaurimuscheln zur Bank. Sehen Sie, was passiert ist? Ursprünglich deponierte Herr Schmied 100 Kaurimuscheln bei der Bank. Jetzt hat die Bank, zusätzlich zu Herrn Schmieds 100 Kaurimuscheln, auch noch die 90 Kaurimuscheln von Frau Bäcker. Aus den 100 Kaurimuscheln sind 190 geworden. Es wurde Geld geschöpft. Darüber hinaus kann die Bank jetzt einen Teil der Einlage von Frau Bäcker verleihen, und der Prozess kann von vorn beginnen!
    Natürlich hat sich die physische Anzahl der Kaurimuscheln nicht verändert. Wenn sowohl Herr Schmied als auch Frau Bäcker ihre Kaurimuscheln gleichzeitig zurückhaben wollten, säße die Bank in der Klemme. Dies passiert jedoch selten, und falls doch, stünden der Bank Kaurimuscheln anderer Einzahler zur Verfügung, mit denen sie arbeiten könnte. Zum
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