Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß
Autoren: John O'Farrell
Vom Netzwerk:
gewesen waren wie hier und jetzt.
    Maddy war warmherzig und wunderschön. Vier Jahrzehnte des Lächelns hatten hinreißende Grübchen in ihrem Gesicht hinterlassen. Jamie war schweigsam und ernst und wählte seine Worte mit Bedacht, wenn er denn etwas sagte. Dillie sprühte vor Begeisterung und schien unerschütterlich in ihrem Glauben an das Gute im Menschen; sie quittierte jede Bemerkung mit emphatischem Nicken und schalt den bettelnden Hund mit so sanfter, liebevoller Stimme, dass er sich ermuntert fühlte, auf ihren Schoß zu klettern und ihr die Nase abzuschlecken. Und dann war da noch ich, der ich diese unschätzbare Erinnerung sorgfältig in meinem Gedächtnis zu bewahren versuchte, ein für alle Mal geheilt von der klassischen Blindheit des Familienvaters. Endlich wusste ich, dass ich einer der Knoten war, die diese fragile selbstorganisierte Einheit zusammenhielten. Ich kam mir vor wie ein wiedergeborener Vater, ein Missionar in Sachen Familie; am liebsten wäre ich sonntagmorgens von Tür zu Tür gezogen und hätte die Männer beschworen, ihre Frauen anzubeten. »Denn siehe, dein Weib gebar dir einen Sohn, und wahrlich, du tauftest ihn auf den Namen Wayne.«
    Vielleicht war ich aber auch nur nicht ganz bei der Sache, denn Dillie redete schon wieder wie ein Wasserfall, und inzwischen hatte auch ich gelernt, ihr Geplapper einfach auszublenden. »Dad-kann-ich-ein-BlackBerry-haben-damit-ich-mit-Mum-und-meinen-Freunden-BBMen-kann-weil-oh-mein-Eis-ist-alle-weil-es-ist-umsonst-und-so-würdest-du-auf-Dauer-sogar-Geld-sparen-ah!-guckt-mal-Woody-ist-er-nicht-süß-hab-ich-ach-übrigens-schönes-Hemd-und-was-soll-ich-Grandma-zum-Geburtstag-schenken-ach-heute-Abend-kommt- How-I-Met-Your-Mother -können-wir-das-gucken-und- Glee -aufnehmen-aber-ein-BlackBerry-Curve-und-nicht-das-BlackBerry-Bold-9000-das-ist-nur-was-für-Geschäftsleute …«
    Jamie bedachte seine Schwester mit einem liebevollen Lächeln und sagte: »Vor Weihnachten wird das wohl nichts, und der Recorder ist schon programmiert.«
    Maddy hatte mir etwas Bemerkenswertes über unseren wortkargen, nachdenklichen Sohn erzählt. In jenen schrecklichen Tagen der Ungewissheit, als Maddy bei ihren Eltern in Berkshire wohnte, klingelte es an der Haustür, und als sie öffnete, stand Jamie in seiner Schuluniform vor ihr. Da man bis zu meinen Schwiegereltern eine Stunde mit dem Zug fahren und danach noch eine Stunde laufen musste, war Maddy entsetzt und erfreut zugleich über das plötzliche Erscheinen ihres Sohnes, der ihr eine Schokoladenorange als Geschenk mitgebracht hatte. Und während er eigentlich im Mathematikunterricht hätte sitzen müssen, saßen Mutter und Sohn nun auf einer Bank in einem wunderschönen Garten auf dem Land und teilten sich das leckere Präsent.
    »Ich und Dillie haben miteinander gesprochen …«, sagte er.
    »Du und Dillie ?«
    »Ja. Ich hab mir das Geld für die Zugfahrkarte bei ihr geliehen«, sagte er mit vollem Mund. Von »teilen« konnte eigentlich nicht die Rede sein: Maddy aß zwei oder drei Schnitze und er den Rest. »Jedenfalls wollten wir dir sagen, dass … egal wie du dich entscheidest – tu das, was du willst, und nicht das, was wir wollen. Hauptsache, du bist glücklich.«
    Maddy sagte, da habe sie zum ersten Mal bemerkt, dass ihr Sohn im Stimmbruch war.
    »Das geht leider nicht«, hatte sie geantwortet. »Denn für mich ist die Hauptsache, dass ihr beiden glücklich seid, und jetzt haben wir den Salat!«, und dann hatte sie ihn auf den Kopf geküsst, damit er nicht sah, dass sie weinte. Später entdeckte ich, dass Maddy die Verpackung der Schokoladenorange in ihrer Nachttischschublade aufbewahrte. Bei ihrem Anblick regte sich mein väterlicher Stolz, und mich beschlich ein leises Gefühl der Enttäuschung, weil keine Schokolade mehr darin war.
    Zur Feier von Garys später Vaterschaft lud ich meinen alten Freund auf ein Glas Bier und mich auf ein leckeres Mineralwasser in unser Stammpub ein. Gary setzte sich an den letzten freien Tisch in unmittelbarer Nachbarschaft des Dartboards, wo der eine oder andere verirrte Pfeil uns immer dann zu durchbohren drohte, wenn es gar zu persönlich wurde.
    »Also, auf deinen Neuankömmling!«
    »Da sag ich nicht Nein … Gazoody-baby!«
    »Ein kleines Töchterlein! Jetzt hast du zwei Frauen im Haus, die du nicht verstehst.«
    »Apropos Frauen – wie läuft’s mit Maddy?«, fragte Gary vorsichtig, als ein Pfeil vom Brett abprallte und neben seinem Fuß landete.
    »Prima! Es könnte gar
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher