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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß
Autoren: John O'Farrell
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Beifall klatschte, packte ich die Gelegenheit beim Schopf.
    »Du hast gesagt, die erste Frage ist, ob ich auf Yolande scharf war. Wie lautet die zweite Frage?«
    Sie wollte eben zu einer Antwort anheben, als der Applaus plötzlich verstummte. Sie hob die Hand, formte mit den Lippen lautlos das Wort »Später …«, und ich musste den nächsten Song abwarten.
    »Warum hielt es dein Gehirn für nötig, eine falsche Erinnerung zu erzeugen?«, fragte sie mich schließlich, während ringsum laut geklatscht und gepfiffen wurde. Bevor ich darauf eingehen konnte, wurde es auch schon wieder still im Saal, und sie bedeutete mir, mich zu gedulden. Nun hatte ich genügend Zeit, mir eine sorgfältig abgewogene Antwort zurechtzulegen. Ich konnte die Frage in Ruhe analysieren und über eine treffende Entgegnung nachdenken, bevor ich Maddy mit meiner brillant formulierten Replik vom sprichwörtlichen Hocker haute.
    »Keine Ahnung«, sagte ich.
    »Weil du dich im Grunde gar nicht binden willst. Dein Gehirn hat einen Vorwand erfunden, um nicht mit mir zusammen sein zu müssen, weil es nicht mit mir zusammen sein will.«
    »Aber …«
    Sie hob den Finger an die Lippen, als es von Neuem still wurde. Während Emile »This Was Nearly Mine« zum Vortrag brachte, schrie ich innerlich vor Wut über diese Ungerechtigkeit. Mein Gedächtnis war wie ein krampfender Muskel: Völlig meiner Kontrolle entzogen, machte es, was es wollte, löschte Dateien, dachte sich die wildesten Dinge aus, während ich dafür zur Rechenschaft gezogen wurde, dass es nicht nur meine Vergangenheit, sondern auch meine Zukunft in Schutt und Asche legte.
    »Aber natürlich will ich mit dir zusammen sein. Auch das sagt mir mein Gehirn. Ich möchte mit dir zusammen sein, okay? In Gesundheit und Krankheit. Denk an unser Ehegelöbnis.«
    »Ja. Nur dass wir geschieden sind …«
    Wieder betrat Dillie die Bühne, und wir reckten demonstrativ den Hals, damit sie uns auch sehen konnte. Wir klatschten stürmisch Beifall, und ich pfiff und rief begeistert Bravo, als mir klar wurde, dass ich mir die Chance hatte entgehen lassen, Maddys Totschlagargument zu widerlegen.
    Erst als das Stück zu Ende war, bekamen wir Gelegenheit, uns etwas ausführlicher zu unterhalten. Während der stehenden Ovationen und diversen Vorhänge winkten wir nicht nur unseren Kindern auf der Bühne, sondern versuchten obendrein zu klären, ob ihre Eltern zusammenbleiben würden.
    »Ich weiß wirklich nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll«, seufzte Maddy. »Ich dachte, es wäre alles in Butter, und dann ziehst du so eine Nummer ab.«
    »Das kannst du mir nicht zum Vorwurf machen. Ich leide an einer neurologischen Störung.«
    »Du leidest an einer psychologischen Störung. Und deine Psyche will nicht, dass du mit mir zusammen bist. Das wird sich früher oder später in irgendeiner Weise äußern, und das tu ich mir nicht noch mal an.«
    »Das darf doch wohl nicht wahr sein.« Ich hatte aufgehört zu klatschen und starrte sie an. »Ich möchte, dass du wieder nach Hause kommst. Glaub mir , nicht meinem verlogenen, ramponierten Datenspeicher. Ich möchte, dass du nach Hause kommst, die Kinder möchten, dass du nach Hause kommst, ich habe nicht mit einer anderen Frau geschlafen, und du kannst dich hundertprozentig darauf verlassen, dass ich dir einen Seitensprung jederzeit gestehen würde. Was willst du mehr?«
    »Dillie winkt – wink zurück!«
    Ich winkte meiner Tochter und reckte Jamie die erhobenen Daumen hin.
    »Herrgott, ich weiß es nicht«, seufzte Maddy. »Bevor sich deine Erinnerung als falsch herausstellte, habe ich mit meinem Anwalt gesprochen. Laut dem Scheidungsurteil musst du das Haus räumen, und ich muss dir jedes Wochenende den Umgang mit den Kindern gewähren. Im Zweifelsfall geht dir die Rechtsbelehrung in den nächsten Tagen zu.«
    »Nein, Maddy, überleg es dir noch mal. Gib uns eine zweite Chance.«
    »Noch eine Trennung würden die Kinder nicht verkraften. Ich fahre jetzt nach Hause zu Mum und Dad und melde mich dann bei dir, okay?«
    An diesem Abend ging Dillie später als sonst zu Bett, und ich deckte sie zu wie früher, als sie noch klein gewesen war. »Warum seid ihr rausgegangen, als ich auf die Bühne kam?«
    »Oje, das hast du gesehen? Es tut mir furchtbar leid, dass wir deinen großen Auftritt verpasst haben. Aber wir haben versucht zu klären, ob wir künftig wieder beide hier wohnen.«
    »Und wie habt ihr euch entschieden?«, fragte Jamie von der Zimmertür
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