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Der Mann am Strand

Der Mann am Strand

Titel: Der Mann am Strand
Autoren: Henning Mankell
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möchte gern wissen, ob Sie in den letzten Tagen einen Mann um die Fünfzig in einem hellblauen Mantel am Strand gesehen haben."
    Sie zog die Augenbrauen hoch und betrachtete Wallander amüsiert.
    "Ich male bei vorgezogenen Gardinen", sagte sie. "Ich habe nichts gesehen."
    "Sie sind Malerin", sagte Wallander. "Ich dachte, da braucht man Licht?"
    "Ich nicht. Aber das ist ja wohl kaum strafbar."
    "Und Sie haben nichts gesehen?"
    "Nein, nichts, wie schon gesagt."
    "Gibt es sonst jemand in diesem Haus, der etwas gesehen haben kann?"
    "Ich habe eine Katze, die immer auf einer Fensterbank hinter den Gardinen liegt. Sie können ja mit ihr sprechen."
    Wallander merkte, daß er wütend wurde. "Manchmal ist es nicht zu vermeiden, daß die Polizei Fragen stellen muß", sagte er. "Glauben Sie nicht, daß ich das hier zu meinem Vergnügen mache. Und jetzt werde ich nicht weiter stören."
    Die Frau machte die Tür zu. Man hörte mehrere Schlösser einschnap-pen. Er ging weiter zum nächsten Grundstück. Das eingeschossige Haus war relativ neu erbaut. Im Garten stand ein kleiner Springbrun-nen. Als Wallander klingelte, begann im Inneren des Hauses ein Hund zu bellen. Er wartete.
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    Der Hund hörte auf zu bellen, und die Tür wurde geöffnet. Es war der alte Mann, den Wallander am Vortag unten am Strand getroffen hatte. Wallander hatte sogleich das Gefühl, daß der Mann nicht er-staunt war, ihn zu sehen. Er hatte ihn erwartet und war auf der Hut.
    "Sie wieder", sagte der Mann.
    "Ja", gab Wallander zurück. "Ich gehe herum und klingele bei allen, die am Strand wohnen."
    "Ich sagte ja schon gestern, daß ich nichts gesehen habe."
    Wallander nickte. "Manchmal fällt einem nachher etwas ein", sagte er.
    Der Mann trat zur Seite und ließ Wallander eintreten. Der Hund be-schnüffelte ihn neugierig.
    "Wohnen Sie das ganze Jahr hier?" fragte Wallander.
    "Ja", sagte der Mann. "Ich war zweiundzwanzig Jahre Amtsarzt in Nynäshamn. Als ich pensioniert wurde, sind wir hierher gezogen, meine Frau und ich."
    "Vielleicht hat sie etwas gesehen?" fragte Wallander. "Ist sie zu Hause?"
    "Sie ist krank", sagte der Mann. "Sie hat nichts gesehen."
    Wallander zog einen Notizblock aus der Tasche. "Darf ich fragen, wie Sie heißen?" sagte er.
    "Ich heiße Martin Stenholm", sagte der Mann. "Meine Frau heißt Kajsa."
    Nachdem er die beiden Namen notiert hatte, steckte Wallander den Block wieder ein. "Dann will ich nicht weiter stören", sagte er.
    "Aber ich bitte Sie", sagte Martin Stenholm.
    "Vielleicht kann ich in ein paar Tagen wiederkommen und mit Ihrer Frau sprechen", sagte Wallander. "Manchmal ist es besser, wenn die Leute selbst erzählen, was sie gesehen oder nicht gesehen haben."
    "Ich glaube, das ist keine gute Idee", sagte Stenholm. "Meine Frau ist schwer krank. Sie hat Krebs und wird bald sterben."
    27
    "Ich verstehe", sagte Wallander. "Dann werde ich nicht zurückkom-men und stören."
    Martin Stenholm öffnete ihm die Tür.
    "Ist Ihre Frau auch Ärztin?" fragte Wallander.
    "Nein", antwortete der Mann. "Sie ist Juristin."
    Wallander ging zurück auf die Straße. Dann besuchte er noch drei Häuser, ohne etwas zu erreichen, bevor er auf Rydberg stieß.
    Beide machten kehrt. Wallander holte sein Auto und wartete vor Agnes Ehns Haus auf Rydberg. Als er kam, hatte er nur Negatives zu berichten. Niemand hatte Göran Alexandersson am Strand gesehen.
    "Und ich habe immer gehört, die Menschen seien so neugierig", sagte Rydberg. "Besonders auf dem Land, und besonders bei Fremden."
    Sie fuhren nach Ystad zurück. Wallander saß schweigend am Steuer.
    Als sie im Polizeipräsidium ankamen, bat er Rydberg, Hansson zu suchen und mit in sein Zimmer zu bringen. Er rief bei der Gerichtsmedizin an und erreichte Jörne endlich. Als er das Gespräch beendete, waren Rydberg und Hansson schon gekommen.
    Wallander schaute Hansson fragend an. "Etwas Neues?"
    "Nichts, was unser bisheriges Bild von Alexandersson verändern würde", antwortete Hansson.
    "Ich habe gerade mit Jörne telefoniert", sagte Wallander. "Das Gift, das ihn getötet hat, kann er sehr wohl zu sich genommen haben, ohne es zu bemerken. Man kann nicht genau sagen, wie es wirkt.
    Jörne vermutet, daß es mindestens eine halbe Stunde dauern könnte.
    Wenn der Tod dann kommt, geht es sehr schnell zu Ende."
    "Soweit haben wir also recht", sagte Hansson. "Hat dieses Gift einen Namen?"
    Wallander las die komplizierte chemische Bezeichnung vor, die er auf seinem Block notiert hatte.
    Dann berichtete er von
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