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Caylebs Plan - 6

Titel: Caylebs Plan - 6
Autoren: David Weber
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.I.
 
Elvarth, Grafschaft Storm Keep,
Corisande-Bund
 
    »Sind wir bald da?«, fragte Prinz Daivyn in klagendem Tonfall.
    Phylyp Ahzgood fand, der kleine Prinz klinge im Vergleich zu seinem älteren Bruder einfach nur kläglich. Kronprinz Hektor hätte die Frage in deutlich weinerlicherem Ton gestellt - und damit keinerlei Zweifel daran gelassen, dass die Frage in Wirklichkeit eine Beschwerde war.
    »Noch nicht ganz, Daivyn«, versuchte Prinzessin Irys ihn zu beruhigen. Sie beugte sich über ihn und mummelte ihn enger in seinen Mantel ein. »Schlaf doch einfach noch ein bisschen! Wenn du aufwachst, sind wir dann bestimmt da!«
    Daivyn schaute seine Schwester an. Im Schein der kleinen Lampe, die vom Dach der Kutsche herabhing, konnte man deutlich erkennen, wie er ihr unter gerunzelter Stirn einen ängstlich fragenden Blick zuwarf. Doch dann nickte er, durch Irys' Verhalten offenkundig ebenso beruhigt wie durch ihre Worte, und kuschelte sich wieder in den bequemem, gepolsterten Sitz. Für einen Jungen seines Alters reichte dieser Sitz ganz und gar als Bett aus, und so schloss Daivyn gehorsam wieder die Augen.
    Mehrere Minuten lang beobachtete Irys ihn; ihre Augen flossen über vor Zärtlichkeit. Schließlich holte sie tief Luft, ließ sich gegen das Rückenpolster sinken und blickte zu Graf Coris hinüber.
    »Das Ganze ist einfach unerträglich!«, brach es aus ihr heraus. Obwohl sie aufgewühlt war, bemühte sie sich leise zu sprechen. Auf gar keinen Fall wollte sie ihren Bruder wecken. Der Kleine jedoch schien schon wieder tief und fest zu schlafen - und das, obwohl die Kutsche teilweise heftig hin und her schaukelte und das Hufgetrappel der Kavallerie-Eskorte nicht zu überhören war.
    »Ich verstehe Eurer Hoheit Erbitterung«, erwiderte der Graf ebenso leise. »Und ich kann Euch Eure Gefühle nicht verdenken. Mir geht es nicht viel anders als Euch. Auch ich habe das Gefühl, mein Heil in der Flucht zu suchen.«
    »Nein, Phylyp, so dürfen Sie nicht denken!« Sie schüttelte den Kopf. »Sie sind schließlich nur hier, weil mein Vater es Ihnen befohlen hat!«
    »Ich möchte Eurer Hoheit versichern, dass es mir ebenso eine Ehre wie eine Pflicht ist ...«, setzte er an. Die Prinzessin schüttelte heftig den Kopf und unterbrach so seinen Redefluss.
    »Können wir nicht einfach so tun, als hätten wir all diese üblichen, pflichtschuldig vorgebrachten Bemerkungen bereits hinter uns?«, fragte sie. Als sie seine verdutzte Miene sah, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. »Verzeihen Sie mir bitte, Phylyp! Ich wollte mit keiner Silbe andeuten, Sie könnten das, was Sie gerade sagen wollten, möglicherweise nicht ernst meinen. Nein, wirklich nicht! Dafür kenne ich Sie einfach schon viel zu lange. Aber ich bin es so leid, immer all das zu sagen, was man von mir erwartet! Ich bin es leid, immer weiter nur eine Rolle zu spielen!«
    Kurz schwieg der Graf. »Ja, ich verstehe«, sagte er dann. »Trotzdem: Ihr seid eine Prinzessin von Corisande, und ich bin, auf Befehl Eures Herrn Vaters, Euer Vormund und zugleich der Erste Ratgeber Eures jüngeren Bruders, sollte es zum Äußersten kommen. Ich fürchte, das sind Rollen, denen wir uns nicht einfach entledigen können, Eure Hoheit.«
    »Wenn man bedenkt, dass wir uns schon mein ganzes Leben lang kennen und Sie zumindest einmal persönlich anwesend waren, als meine Windeln gewechselt wurden - meinen Sie nicht, Sie könnten mich ›Irys‹ nennen und nicht ›Eure Hoheit‹, Phylyp? Zumindest, wenn wir beide allein sind?«
    Ihm lag schon eine Entgegnung auf der Zunge, doch dann überlegte er es sich anders.
    »Ich weiß nicht, ob das wirklich eine gute Idee ist«, sagte er schließlich. »Angesichts der Umstände ist es ganz besonders wichtig, dass Eure und auch Daivyns Würde so weit gewahrt bleiben wie eben möglich. Wenn ich Euch gegenüber zu viel Vertraulichkeit an den Tag legte, wird das Eure Autorität als Tochter des Prinzen von Corisande untergraben. Und aus deutlich selbstsüchtigeren Motiven heraus möchte ich noch Folgendes hinzufügen: Ich möchte nicht, dass jemand auf die Idee kommt, ich würde die Aufgabe, die Euer Herr Vater mir zugewiesen hat, zu meinem eigenen Vorteil nutzen.«
    »Dessen bin ich mir durchaus bewusst, Phylyp. Deswegen habe ich ja auch gesagt: ›Zumindest, wenn wir beide allein sind.‹ Aber wir werden es in Delferahk schon schwer genug haben, ganz egal, was noch geschieht. Ich hätte gern wenigstens einen Menschen um mich, von dem ich weiß,
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