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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier
Autoren: Nicholas Guild
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Leichen fortgeschafft wurden. Meine Hundezwinger riechen besser.«
    Mit einer knappen Handbewegung entließ er Eurydikes Frauen, die sich hastig verbeugten und davonhuschten wie Feldmäuse. Der König sah sich um, scheinbar ohne die Wiege in der einen Ecke des Zimmers zu bemerken, und erst als er offensichtlich nichts entdeckte, das seiner Aufmerksamkeit würdig gewesen wäre, senkte er den Blick zu der Frau im Bett.
    »Du hattest eine schwere Zeit, Weib«, sagte er kalt. »Wirst du leben oder nicht?«
    Sie antwortete nicht – man spürte, daß sie nicht die Kraft dazu hatte –, aber sie beobachtete ihn weiter mit der wachsamen Feindseligkeit eines Tieres.
    Nikomachos beugte sich über das Bett und legte die Fingerspitzen an ihre Kehle.
    »Das liegt in der Hand der Götter, mein Gebieter. Aber wenigstens ist ihr Puls stärker geworden, also hat die Blutung vermutlich aufgehört.«
    »Und was ist mit meinem Sohn?«
    Eine Mischung aus Angst und Abscheu huschte über Eurydikes Gesicht, beinahe so, als würde ein Schmerz sie durchzucken, und zum erstenmal senkte sie den Blick vomGesicht des Königs in die dunkle Ecke, in der die Wiege stand.
    Amyntas folgte ihrem Blick und ging zu der Wiege.
    »Das Kind ist tot«, verkündete er, äußerlich unbewegt. »Nein, ich habe mich geirrt. Der Junge schläft nur. Da, jetzt bewegt er sich wieder.«
    Er bückte sich und nahm seinen Sohn in beide Hände. Ptolemaios und Lukios kamen dazu, um ihn sich genauer anzusehen. Das Kind begann mit hoher, schriller Stimme zu schreien.
    »Was meinst du, Arzt? Wird der Junge leben?«
    Schweigend nahm Nikomachos ihn aus den Armen seines Vaters und trug ihn zu der Öllampe. In dem flackernden, gelblichen Licht streckte er dem Kind den kleinen Finger hin. Es fing sofort an zu nuckeln und hörte auf zu schreien.
    »Vor einer Stunde hätte ich das noch nicht gesagt«, antwortete er nach einer Weile, »aber jetzt glaube ich, er wird es überstehen.«
    »Dann, mein Gebieter, mußt du einen Namen für ihn auswählen.«
    Ptolemaios sah auf Eurydike hinunter, als hätte er zu ihr gesprochen und nicht zum König. Er lächelte wie ein Mann, der eben etwas entdeckt hat, das ihn freut.
    »Ja, einen Namen«, bekräftigte Lukios.
    »Hast du einen Vorschlag, Vetter?«
    Beim Klang der Stimme des Königs drehte Ptolemaios sich zu ihm um. Er lächelte noch immer.
    »Philipp, mein Gebieter. Wenn ein Name Macht hat, dann wird er vielleicht einen ordentlichen Pferdeführer aus ihm machen.«
    Amyntas lachte und nickte zustimmend.
    »Ja«, sagte er. »Außerdem wird er ihn daran erinnern, wie gering sein Anspruch auf meinen Thron ist, denn seit fast dreihundert Jahren hat es keinen König mehr mitdiesem Namen gegeben. Einverstanden, wir wollen ihn Philipp nennen.«
    »Im Augenblick braucht er eine Amme dringender als einen Namen.«
    Nikomachos, der das Kind noch immer in den Armen hielt, ging zum Bett. Doch als Eurydike sich mit einem Ausdruck des Entsetzens abwandte, blieb er stehen.
    »Alkmene, die Frau des Haushofmeisters meines Gebieters, wurde vor zwei Tagen von einem Totgeborenen entbunden. Ihre Brüste sind schwer von Milch.«
    Er zog den Finger aus dem Mund des Kindes, denn der neue Prinz von Makedonien war wieder eingeschlafen.
    »Ich glaube, Eurydike ist zu schwach…«
    »Tu, was du für richtig hältst«, erwiderte Amyntas und sah seinen Sohn mit einem gleichgültigen Achselzucken an. »Soll Glaukons Frau ihn nehmen. Seine Mutter, das wissen die Götter nur zu gut, wird ihm wenig nützen -weder jetzt noch später.«
    Der König und seine Begleiter kehrten in den großen Saal zurück. Eurydikes Frauen schlichen wieder in ihre Kammer, Nikomachos blieb noch eine Stunde, bis er ganz sicher war, daß seine Dienste nicht mehr benötigt würden, und nahm dann den neuen Sohn des Königs mit sich fort.
    »Wir müssen mit dem königlichen Haushofmeister reden«, flüsterte er dem schlafenden Kind zu. »Dir fehlt nichts, was ein paar milchpralle Brüste nicht heilen könnten. Im Augenblick hast du nichts zu befürchten.«
    Im Augenblick nicht, dachte er. Aber was ist in ein paar Jahren?
    Der Arzt drückte seinen kleinen Schützling an sich, doch dabei kam er sich vor, als hätte er eben einen Fluch ausgesprochen.
    Obwohl Glaukon noch ein junger Mann war, diente er dem König bereits seit drei Jahren als Haushofmeister. Er hatte diese Stellung von seinem Vater geerbt dessen Vorfahren den Königen von Makedonien seit über hundert Jahren, seit der Zeit des ersten
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