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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier
Autoren: Nicholas Guild
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Amyntas’ jüngster Sohn mit ernstem, unbewegtem Gesicht. »Ich will den Hengst haben, Bruder. Hast du vor, dein Angebot zurückzuziehen? Dann weiß ich, daß du mich für einen ebenso großen Feigling hältst, wie du einer bist.«
    Ein plötzliches, gefährliches Schweigen folgte. Alexandros schien zu entsetzt, um wütend zu sein. Er sah aus, als hätte man ihn geschlagen.
    Doch dann legte einer von Alexandros’ Gefährten, einjunger Mann namens Praxis, dem Prinzen die Hand auf die Schulter.
    »Laß gut sein, Alexandros. Sei vernünftig«, sagte er mit der sanften, tröstenden Stimme, mit der man zu einer gramgebeugten Frau spricht. »Du darfst dich nicht zu dieser Torheit verleiten lassen, nur weil ein Kind dich beleidigt hat. Verprügle ihn, wenn du mußt, aber laß es damit gut sein.«
    Alexandros schlug die Hand weg.
    »Nein. Werft dem Hengst ein Seil um und laßt meinen kleinen Bruder seinen Willen haben. Der Pferdefreund -wir werden ja sehen. Wenn er sich unbedingt umbringen will, dann soll er doch!«
    Er hob den Arm und ließ ihn dann ungeduldig wieder sinken.
    »Muß ich es vielleicht selbst tun?« rief er und kletterte auf den Zaun, als hätte er das wirklich vor. »Werft dem Vieh ein Seil um den Hals, damit Philipp, der Halbgott, auf seinen Rücken klettern kann – und zwar sofort!«
    Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis sie dem Hengst eine Schlinge übergeworfen hatten, und dann war noch ein zweites Seil nötig, um ihn soweit zu bändigen, daß er nicht mehr in die Höhe stieg und mit seinen großen Hufen nach den Männern schlug, die mit ihm kämpften. Bei jedem anderen Pferd wäre soviel Gewalt nur ein Zeichen panischer Angst gewesen, doch dieser Hengst schien vor Wut und vor Rachelust förmlich zu kochen.
    »Also los, du Pferdefreund, jetzt ist er ganz der deine. Ich wünsch’ dir viel Spaß mit ihm.«
    Alexandros grinste seinen jüngsten Bruder grimmig an, der in diesem Augenblick beinahe so etwas wie Kummer verspürte, als hätte er etwas für immer verloren. Der erste Prinz von Makedonien sah die Regung in seinem Gesicht, mißverstand sie aber.
    »Wenn du Angst hast, brauchst du es nur zu sagen. Keiner wird dich deswegen für einen Feigling halten.«
    Das Wort brannte wie eine Nessel, doch Philipp schüttelte nur den Kopf.
    »Ich habe keine Angst«, sagte er und sprang vom Zaun in den Pferch.
    Mit den schnellen, geschickten Bewegungen von Männern, die sich in Gefahr sehen und so schnell wie möglich das Weite suchen möchten, streiften zwei Pferdeknechte dem Hengst das Zaumzeug über. Philipp näherte sich behutsam von links vorne, und der Hengst beobachtete ihn mit einem großen, wilden Auge, als wüßte er, daß dieser Junge der einzige Gegner war, der zählte. Er wieherte leicht, als Philipp ihm die Hand auf den Hals legte.
    »Das war’ geschafft«, murmelte er und ließ die Hand über das glatte Fell gleiten, das so schwarz war, daß es das Sonnenlicht reflektierte wie ein geschliffener Edelstein. »Du brauchst keine Angst zu haben. Wir beide werden gut miteinander auskommen.«
    Der Hengst versuchte, mit dem Kopf auszuschlagen, doch er streifte mit seiner Schnauze nur Philipps Schulter – eine Berührung, die beinahe etwas Zärtliches hatte.
    Philipp nahm die Zügel in die eine Hand, krallte sich dann so unvermittelt in der Mähne fest, daß der Hengst keine Zeit hatte zu reagieren, und schwang sich auf seinen Rücken.
    »Macht die Seile los«, schrie er, den heftig bockenden Hengst zwischen seinen Schenkeln. »Macht sie los und dann weg, nichts wie weg mit euch!«
    Das ließ sich niemand zweimal sagen. Philipp sah, wie die Seile zu Boden glitten, sah, wie die Burschen auf den Zaun zurannten, und gleichzeitig spürte er, wie er in die Höhe stieg. Einen Augenblick lang schien er im leeren Raum zu schweben, der Hengst war einfach unter ihm abgetaucht.
    Der Aufprall war so heftig, daß er ihm fast die Eingeweide zerquetschte, doch er schaffte es, mit den Beinen die Flanken des Pferdes zu umklammern und auf seinem Rücken zu bleiben. Er riß die Zügel zurück, aber der Hengst war so hartmäulig, daß die Gebißstange keine Wirkung zeigte.
    Das Pferd bäumte sich auf, die Vorderhufe schlugen in die Luft, und plötzlich trat es so heftig nach hinten aus, daß sein ganzer Körper mit einem scharfen Ruck nach links ausbrach. Philipp klammerte sich an der Mähne fest und dachte nichts, außer daß er auf keinen Fall unter diese mörderischen Hufe kommen durfte. Zwei-, dreimal gelang es ihm,
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