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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier
Autoren: Nicholas Guild
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Alexandros, dienten. Ein anderes Schicksal hätte er sich gar nicht vorstellen können, da die Treue zum Haus der Argeaden und der Gehorsam gegenüber dem König für ihn so natürlich waren wie das tägliche Brot. Man brachte ihm absolutes Vertrauen entgegen, und das wußte er auch. Es war sein größter Stolz, daß König Amyntas keinem Mitglied seines Hofes, nicht einmal den tapfersten Edlen, die seine Gefährten waren und die er Vettern und Freunde nannte, mehr Vertrauen entgegenbrachte als dem bescheidenen Glaukon, der die Weinkrüge verwaltete und die Palastsklaven überwachte und zweimal die Woche hinunter in den Basar ging, wo er, mit der Börse des Königs auf den Knien, unter einem Baldachin saß und mit Kaufleuten und Bauern feilschte.
    Und während ein anderer Mann, würde er mitten in der Nacht aus dem Bett geholt, sich tausend ängstliche Gedanken gemacht und sich gefragt hätte, ob irgendein kleines, geheimes Verbrechen nun doch entdeckt worden sei und ob vielleicht sein letztes Stündlein geschlagen habe, wischte Glaukon sich einfach den Schlaf aus den Augen und zog sich an. Er dachte kaum darüber nach, was zu einer solchen Stunde wohl anliegen könnte. Was es auch sein mochte, er würde sich darum kümmern, wann es ihm angebracht schien. Er war ein ehrlicher Mann, der tat, was seine Stellung von ihm verlangte. Er hatte keinen Grund, Böses zu ahnen.
    Außerdem waren seine Gedanken zu sehr von privaten Sorgen überschattet, um Platz zu lassen für Befürchtungen.
    Der Bote, einer der Pagen des Königs, ein etwa zehnjähriger Junge, der aussah, als wäre er ebenfalls ausdem Bett geholt worden, hatte ihm nur mitgeteilt, daß er im Küchentrakt erwartet werde. Wahrscheinlich gab es Schwierigkeiten mit einer der Aufwartefrauen – mit denen gab es immer Schwierigkeiten –, was es allerdings sein mochte und warum es nicht bis zum Morgen warten konnte, darüber machte er sich keine Gedanken.
    Eurydikes Niederkunft hatte er ganz vergessen. Vielleicht hatte er den Gedanken daran aber auch verdrängt. Denn die Geburt eines Kindes war kein Thema, das ihn im Augenblick mit Freude erfüllte.
    Sein eigener kleiner Sohn, der nicht einmal lange genug gelebt hatte, um zu schreien, und dessen Leiche man in tiefster Nacht fortgeschafft hatte wie etwas Unheiliges… Die Asche seines Scheiterhaufens war noch kaum erkaltet, und seine Mutter, die liebliche Alkmene, so voller vergeblicher Liebe für das Kind, das sie nie an ihrem Busen nähren würde, seine Mutter konnte nicht aufhören zu weinen. Manchmal war das Leben bitterer als der Tod.
    Glaukon lebte außerhalb des Palastbezirks, in einem Viertel, das zum Besitz des Königs gehörte und das erbaut worden war, als Archelaos, der nun schon beinahe zwanzig Jahre in seinem Grab ruhte, den Sitz der Hauptstadt von Aigai nach Pella verlegt hatte. In einem dieser Häuser wohnen zu dürfen, die viel geräumiger und persönlicher waren als jede Unterkunft, die ein Bediensteter sich im Palast erhoffen durfte, war eine große Gunst, doch war diese Ehre kaum etwas wert in einer Nacht wie dieser, in der Schnee die Straßen verstopfte. Der königliche Haushofmeister verfluchte das Wetter und hätte auch Archelaos selbst verflucht, wenn so etwas ziemlich gewesen wäre und nicht die Götter ihm diese Mühe bereits abgenommen hätten, indem sie den König unter den Händen eines Mörders hatten sterben lassen, bevor sein Sohn zum Mann herangereift war, so daß die Tage seitdem vonChaos und Verrat erfüllt waren – Chaos und Verrat, die nicht einmal die nun schon beinahe zehn Jahre währende Herrschaft des Königs Amyntas hatte vollkommen beseitigen können. Vielleicht war es gottlos gewesen, Aigai zu verlassen, denn alle Könige und sogar Archelaos lagen dort begraben. Glaukon, der mürrisch, an den Füßen nur Sandalen, durch die Schneeverwehungen stapfte, hätte wohl kaum widersprochen, wenn jemand behauptet hätte, daß er in einer schlimmen und frevlerischen Zeit lebte.
    Das Feuer im Küchenherd war schon lange ausgegangen, doch der Raum war noch ziemlich warm. Jemand hatte eine Kohlenpfanne angezündet, und davor saß Nikomachos, der Arzt des Königs, und starrte, den Kopf auf die Hand gestützt, in die winzigen Flammen, die hier und dort zwischen den Kohlen emporloderten.
    Auf der anderen Seite der Pfanne saß auf einer Bank, auf der auch ein Becher Wein stand, eine alte Frau, die ein Bündel in den Armen hielt und in stiller Andacht ihre Lippen bewegte. Es war lokaste, die
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