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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier
Autoren: Nicholas Guild
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was war das?«
    »Deine Tochter.«
    »Audata?«
    »Hast du noch eine andere? Ja, natürlich Audata.«
    »Sie hat bis jetzt jeden abgelehnt, der um ihre Hand angehalten hat. Sie wird nicht einverstanden sein.«
    »Sie wird hocherfreut sein.«
    Danach ritten sie lange Zeit schweigend nebeneinander her.
    »Der Junge bildet sich jetzt bestimmt ein, daß er Anspruch auf deinen Thron hat«, sagte Pleuratos schließlich.
    »Ich glaube nicht, das er das tut, aber wenn es so wäre, würde ich es begrüßen.« Der alte König bedachte seinen Enkel mit einem schadenfrohen Grinsen. »Ich brauche einen Nachfolger.«
     
    Wer König Philipp bei seiner Verlobungszeremonie sah, wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß er diese Verbindung aus politischen Gründen einging.
    Es war schon beinahe Winter, als Prinzessin Audata in der Hauptstadt ihres zukünftigen Gemahls eintraf. Bis zur Grenze von Lynkestis hatte eine große Abordnung aus der Leibgarde ihres Urgroßvaters sie begleitet, nicht nur, um ihr Ehre zu erweisen, sondern auch, um die fünfzig Talente in Gold zu bewachen, die sie mit sich führte. Was diese Summe anging, so gab es eine gewisse diplomatische Verwirrung darüber, ob sie nun die Mitgift der Prinzessin war oder die erste Rate der im Friedensvertrag vereinbarten Tributrückzahlung, oder ob sie vielleicht beiden Zwecken diente. Auf makedonischem Gebiet stand sie dann unter dem Schutz des Königs, und Philipp selbst gehörte zu ihrer Ehrengarde.
    Man hätte es als unschicklich betrachtet, wenn das junge Paar sich in Abwesenheit der Familie der Braut gesehen hätte, aber da Philipp auf dem Rückweg nach Pella neben ihrer geschlossenen Sänfte herritt, war es ihnen manchmal möglich, durch den Vorhang hindurch, der sie vor den Blicken der Welt verbarg, ein paar Worte zu wechseln. Das schien genug zu sein. Philipp fand so großenGefallen an seiner Braut, daß er die Belustigung seiner Freunde über seine so offensichtliche Vernarrtheit gar nicht bemerkte.
    In Pella angekommen, überließ Philipp seine Gemächer Audata und ging zu Glaukon, um in dem Bett zu schlafen, das er schon als Kind benutzt hatte. Jeden Morgen bei Sonnenaufgang machte der alte Haushofmeister Frühstück für sich und seinen König, und dann ging Philipp, der viel zu ruhelos war, um sich mit etwas anderem zu beschäftigen, für gewöhnlich auf die Jagd. Er war weniger gereizt als vielmehr zerstreut, aber die Wirkung war dieselbe. Jeder war froh, daß die Verlobungszeit nur kurz sein sollte.
    Der alte Glaukon sah die Braut des Königs jeden Tag, und abends fragte Philipp ihn immer aus, wie sie aussehe, was sie gesagt habe und ob sie einen glücklichen Eindruck mache. Morgens dagegen mußte der Haushofmeister des Königs der Prinzessin Audata auf ganz ähnliche Weise zu Diensten sein. Er merkte sehr bald, daß die beiden sehr verliebt waren, und das war etwas, das ihn sowohl freute wie verwirrte. Wie hatte das geschehen können, da die beiden sich doch kaum kannten? Die Prinzessin, jetzt erst knapp zwanzig, war noch ein Kind gewesen, als Philipp Geisel der Illyrer gewesen war. Glaukon konnte sich nicht erinnern, daß Philipp in all den Jahren je über sie gesprochen hätte, und doch schien diese merkwürdige Vertrautheit zwischen ihnen schon von langer Dauer zu sein. Es war ein Rätsel.
    Aber vieles an Philipp war ein Rätsel.
    Glaukon stand während der Verlobungszeremonie zufällig hinter dem Paar, und während Philipp sein feierliches Versprechen gab, diese Frau zu seiner rechtmäßigen Gemahlin zu nehmen, sah der Haushofmeister, wie die Hände der beiden sich fanden und die Finger ineinanderglitten, als hätten sie das schon immer getan.
    »Sie werden glücklich sein«, dachte der alte Mann. »Undvielleicht wird mein Junge jetzt endlich ein wenig Frieden finden.«
    Am Abend vor der Hochzeit sagte jeder, daß es am nächsten Morgen schneien würde, aber der Himmel war noch klar, als der König und seine neue Frau im Hochzeitswagen durch den königlichen Bezirk fuhren. Glaukon hatte ein Festmahl für die Gäste des Königs vorbereitet und stand auf den Stufen des Palasts, um ihn willkommen zu heißen und ihm zu versichern, daß alles zur Zufriedenheit gerichtet sei. Es war ein kurzer Augenblick der Ruhe in einem arbeitsreichen Tag, der noch nicht zu Ende war.
    Das Sternbild des Drachenkämpfers strahlte am nächtlichen Himmel, und Glaukon dachte an jene Nacht, in der er den Palast, vor dem er jetzt stand, mit einem neugeborenen Knaben im Arm
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