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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier
Autoren: Nicholas Guild
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er. »Er ist ein Prinz aus königlichem Geblüt.«
    »Wie kannst du das fragen?« Philipp schien dem Zorn des alten Mannes mit vollkommenem Gleichmut zu begegnen. »Wie viele Frauen sind heute Witwen wegen seiner Torheit? Wie viele Kinder haben ihre Väter verloren? Dein eigenes Volk wird in diesem Winter hungern, weil die Männer, die die Ernte hätten einbringen sollen, unter der Erde liegen. Ich spreche nicht von den makedonischen Toten, weil ich weiß, daß die dir gleichgültig sind, aber ich habe viele gute Soldaten und einen engen Freund in diesem Krieg verloren, der mir auf gezwungen wurde, und ich trauere um alle. Und da fragst du mich, warum ich ihn unter solchen Bedingungen leben lasse. Frag mich lieber, warum ich ihn überhaupt am Leben lasse.«
    Erst als Bardylis spät an diesem Abend allein auf einem fremden Bett in der Festung seiner Feinde saß, begriff er, was Philipp beabsichtigte.
    Wenn Pleuratos in der Schlacht gefallen wäre, hätte das nicht viel ausgemacht, aber wenn Philipp ihn jetzt als Gefangenen tötete, wäre das eine Beleidigung, über die die Illyrer nicht hinwegsehen könnten. Was Philipp auch immer wollte, einen Streit aus diesem Grund aufjeden Fall nicht, und deshalb würde Pleuratos nicht getötet, sondern ausgeliefert werden, sobald Philipp seine Bedingungen erfüllt sah.
    Aber es war seine Absicht gewesen, Pleuratos zu vernichten, und genau das war ihm gelungen. Die Männer von Bardylis’ Eskorte, die ihn angekettet gesehen hatten wie ein Tier, würden den Anblick nicht vergessen, und bei ihrer Rückkehr würde jeder erfahren, wie tief Pleuratos gedemütigt worden war. Die Illyrer waren ein stolzes Volk, die nie hinnehmen würden, daß seine Schande auch die ihre wurde. Deshalb würden sie ihn auch nie als König annehmen. Philipp hatte ihn so gut wie getötet.
    »Schlauer Junge«, dachte Bardylis und mußte ein Schmunzeln unterdrücken. »Schlauer, schlauer Junge.«
    Aber Bardylis wußte, daß auch seine eigene Ehre auf dem Spiel stand, und deshalb konnte er nicht zulassen, daß sein Enkel eine Geisel blieb. Auch wenn Pleuratos jetzt zu nichts mehr zu gebrauchen war, freikaufen mußte man ihn trotzdem.
    Am nächsten Morgen unternahmen die Könige von IIlyrien und Makedonien einen Spaziergang entlang der Befestigungsanlagen von Pisoderi.
    »Es ist fast wie in alten Tagen, nur daß damals du meine Geisel warst«, sagte Bardylis, der sich auf Philipps Schulter stützte, um sein krankes Bein zu entlasten. »Allerdings muß ich jetzt etwas weiter hinauflangen, du bist gewachsen.«
    »Es ist elf Jahre her, Urgroßvater.«
    »Und anstatt dich vor Pleuratos zu beschützen, muß ich jetzt ihn vor dir beschützen.«
    »Vor mir brauchst du ihn nicht zu beschützen.«
    Bardylis nickte, er wußte, daß Philipp recht hatte.
    »Nein, jetzt nicht mehr, denn du hast ihn ja bereits zugrunde gerichtet. Und zwar auf eine Art, von der er sich nie mehr erholen wird.«
    »Ich habe nur getan, was für die Sicherheit meines Volkes nötig war«, erwiderte Philipp, vielleicht etwas steifer als beabsichtigt.
    »Du darfst nicht glauben, daß ich dir etwas vorwerfe.« Der alte Mann hob beschwichtigend die Hände. »Ich an deiner Stelle hätte das gleiche getan. Du mußt verstehen, daß Pleuratos, obwohl ich jetzt mit dir über die Bedingungen seiner Freilassung verhandle, für mich zu einer Belastung geworden ist. Ich werde ihn nur freikaufen, um der Ehre Genüge zu tun, und wie du weißt, ist einem echten Dardaner die Ehre nicht jeden Preis wert. Ich würde dir deshalb raten, in deinen Forderungen nicht zu unmäßig zu sein.«
    Er sah zu seinem Urenkel hoch und lächelte, aber sie beide wußten, daß das, was im Spaß gesagt, ernst gemeintwar.
    »Dann hörst du am besten gleich, was ich für seine Freiheit verlange.«
    Als Philipp es ihm sagte, warf der König der Illyrer den Kopf zurück und brüllte vor Lachen.
    Fünf Tage später war Bardylis wieder ganz bei Kräften, und die Illyrer konnten die Rückreise antreten. Pleuratos war bei ihnen. Man hatte ihm kurz vor dem Aufbruch die Ketten gelöst und ihm ein Pferd gegeben. Er ritt neben seinem Großvater her, und zwei Tage lang sprach er kein einziges Wort.
    Am dritten Tag, als sie bereits wieder auf eigenem Gebiet waren, brach er endlich sein Schweigen.
    »Was hast du ihm gegeben?« fragte er, und seine Stimme klang gepreßt und wie eingerostet. Dann räusperte er sich und spuckte auf den Boden.
    »Was er verlangt hat«, erwiderte Bardylis gelassen.
    »Und
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