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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier
Autoren: Nicholas Guild
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Augenblick seines Lebens.
    »Jetzt gibt es kein Leben mehr für mich«, dachte er. »Hiernach nicht mehr. Es ist wirklich besser, hier zu sterben.«
    Er zog sein Schwert und versuchte, sein Pferd voranzutreiben – er würde dem jungen Philipp schon zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt war, und wenn man seine Leiche fand, würde er die Wunden wenigstens in der Brust haben –, doch die wogende Masse seiner fliehenden Soldaten, die ihn umringte, machte ein Vorwärtskommen unmöglich.
    Und plötzlich merkte Pleuratos mit nacktem Entsetzen, daß Hände nach ihm griffen, daß Männer ihn vom Pferd zerren wollten, um es selbst zur Flucht zu benutzen. Das war der ruhmlose Tod, der ihn erwartete: von einem verängstigten Mob in Stücke gerissen zu werden. Mit einemmal war sein ganzes Denken darauf gerichtet, diesen Händen zu entkommen. Er schwang sein Schwert und schlug jemandem den Daumen ab. Er hatte noch Zeit, sich darüber zu wundern, daß der Mann es kaum zu bemerken schien, doch dann riß er die Zügel zurück, wendete sein Pferd und floh in die Richtung, aus der er gekommen war.
    Die Illyrer flohen in panischer Angst, und der einzige Ausweg, der ihnen blieb, war der Paß. Der allerdings war mit Felsbrocken übersät, und nur in der Mitte bot sich eine gangbare Lücke, die so schmal war, daß kaum fünf Männer nebeneinander hindurchpaßten. Nun war auch dieser enge Durchlaß beinahe verstopft, und Fußsoldaten kletterten an den zerklüfteten Felswänden entlang, um den Makedoniern zu entkommen, die an der Öffnung des Passes auf und ab ritten und jeden töteten, der in ihreReichweite kam. Die Leichen der Erschlagenen, war fast ebenso großes Hindernis wie die Felsen.
    Über diese Leichen und über die Körper noch lebend Männer, die von Glücklicheren und Skrupelloseren niedergetrampelt worden waren, trieb Pleuratos sein Pferd das sich von der allgemeinen Panik hatte anstecken lassen und kaum noch Ansporn brauchte. Er drosch mit seinem Schwert um sich, als wollte er sich den Weg freischlagen, fluchend wie ein Dämon, halb wahnsinnig vor Angst und Wut. Nur die Götter wußten, wie viele seiner eigenen Soldaten er verstümmelte oder tötete.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er den Paß überwunden hatte, eine Strecke von kaum mehr als hundert Schritt, doch als er dann freies Gelände vor sich sah, erfüllte eine seltsame Hochstimmung sein Herz. Er war frei. Keiner war mehr vor ihm, und seine Verfolger wurden zweifellos aufgehalten von den Horden fliehender Illyrer, wie auch er einer gewesen war. Er versuchte erst gar nicht, sein Pferd zu zügeln, als es plötzlich in einen wilden, ungestümen Galopp ausbrach.
    Doch hat das Glück einen Mann erst einmal verlassen, kehrt es nicht wieder zu ihm zurück. Der Paß lag noch keine halbe Stunde hinter ihm, als das Pferd stolperte, ihn abwarf und, vielleicht weil es selbst gern frei sein wollte, nach kurzem Zögern mit ungelenken Sprüngen verschwand. Das elende Tier war schon nicht mehr zu sehen, als Pleuratos endlich in der Lage war, sich umzudrehen und aufzusetzen. Das war das Ende.
    Er saß noch immer auf der Erde und weinte hemmungslos, als kurz vor Sonnenuntergang ein makedonischer Reitertrupp ihn fand.

46
     
     
    NICHTS VERBREITET SICH schneller als schlechte Nachrichten. Binnen zehn Tagen nach der Vernichtung von Pleuratos’ Armee lag einer der wenigen Überlebenden der illyrischen Reiterei, der es geschafft hatte, den Makedoniern zu entkommen, vor König Bardylis auf den Knien. Nachfolgende Berichte bestätigten nur das Ausmaß der Katastrophe. An die siebentausend Männer waren tot, der Rest in alle Winde verstreut. Wenn Philipp es sich in den Kopf setzte, nach Westen zu ziehen, war keine Armee mehr da, die ihn daran hätte hindern können. Das illyrische Reich war ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
    Ein Botschafter wurde ausgesandt, um nachzufragen, ob die Makedonier zu Friedensverhandlungen bereit wären – daß die Bedingungen nur auf absolute Unterwerfung lauten konnten, stand außer Frage, aber Illyrien hatte keine andere Wahl –, und um herauszufinden, was mit Bardylis’ Enkel geschehen war. Der Botschafter kam nach einem Monat zurück.
    »Der König hat mich persönlich empfangen«, sagte er, mit einem Anflug von Stolz in der Stimme. Anscheinend hatte er eine solche Höflichkeit nicht erwartet.
    »Welcher König? Menelaos?«
    »Nein, Philipp selbst.«
    »Ist der immer noch in Lynkestis?«
    »Ja. Menelaos war anwesend, hat aber kein Wort
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