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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif
Autoren: Guillaume Prévost
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er lebte noch. Er war in diesem Körper wieder aufgewacht, der eigentlich nicht mehr seiner war. Und er war allein. Die einzig mögliche Erklärung war, dass Sam und sein anderes Ich irgendwie miteinander verschmolzen waren. Denn schließlich war es nicht möglich, dass zwei identische Wesen zur selben Zeit am selben Ort existierten. Also war aus ihnen eins geworden . . .
    Immer noch schockiert und mit einem unguten Gefühl griff Sam nach dem Buch der Zeit. »Das steht da drin!«, hatte sein alter ego versichert. Er strich über den schönen, dicken, rissigen Einband. Wie vertraut er sich anfühlte! Er war noch genau so, wie er ihn damals gefunden hatte, als ob die Brandspuren gelöscht worden wären und als ob Rudolf nie eine Seite herausgerissen hätte. Eine neue Vergangenheit, eine neue Gegenwart . . . Wahllos blätterte er durch die Seiten. Alle Doppelseiten waren, wie gehabt, identisch, jedes Mal mit derselben Überschrift: Die Jagd nach dem  Ring. Bevor er den Text las, fiel Sams Blick auf vier Schwarz-Weiß-Radierungen im Stil des 19. Jahrhunderts. Sie zeigten verschiedene Persönlichkeiten, von denen ihm nur eine unbekannt war: ein bärtiger Mann mit einem Hut, der ihm auf die Nase rutschte, der Bildunterschrift nach ein gewisser Fouldr II. Die anderen drei erkannte Sam auf den ersten Blick: Klugg, der Alchimist von Brügge, der auf dem Bild gerade durch das Fenster eines orientalischen Palastes floh. Es gab auch ein Bild von Setni beim Öffnen eines Schranks, der genauso aussah wie der in der Bibliothek des Vatikans. Auf dem letzten sah Samuel sich selbst, wie er mit geschlossenen Augen vor dem Gott Thot kniete und eine Art Krone oder überdimensionalen Ring entgegennahm. Samuel hatte es zu einem aufsehenerregenden Eintrag im Buch der Zeit gebracht!
    Jetzt konnte er seine Neugier nicht mehr bezwingen und begann, den Text zu lesen:
    Nach mehreren Jahrhunderten der Ungewissheit und Spekulation ist der Ring der Ewigkeit bei den Ausgrabungen an der Grabkammer des Hohepriesters Setni (Bild 1) in Theben, im Jahre 4610 nach dem Pharao Djoser, Kalender der 3. Dynastie, entdeckt und geborgen worden. Einem jungen Reisenden, der auf den Namen Sem (oder Sam oder Som) hört, ist es nach mehreren Versuchen gelungen, zum Versteck des heiligen Rings vorzustoßen, den der Gott Thot, Herz des Re, Schutzpatron der Schreiber und Berechner der Zeit, ihm selbst übergeben hat (Bild 4). Zur Erinnerung sei an dieser Stelle erwähnt, dass der Ring der Ewigkeit (auch Ring der Zeit oder des Fortbestands) geschmiedet wurde, damit der Gott Re, Sonnengestirn, Großer Richter und Herr aller Dinge, seine Reise über die Welt auf der Himmelsbarke in alle Ewigkeit fortsetzen kann. Es ist zwar nicht genau bekannt, wie der Ring des Gottes Re in die Hände der Menschen gekommen ist, doch man weiß, dass er bei einer Vielzahl von ihnen die Gier geweckt hat, ihn zu besitzen, weshalb man sie oft als >Jäger des Rings< bezeichnet. Der Erste von ihnen war sicher Nerferhotep im fahre 885 nach dem Pharao Djoser, Kalender der 3. Dynastie, der im Alter von siebenunddreißig Jahren . . .
    Es folgte eine ausführliche Abhandlung einiger dieser Jäger des Rings – Sam übersprang ein paar Zeilen -, die sich im Laufe der Jahrtausende auf die Suche nach dem Schmuckstück gemacht hatten, unter ihnen tauchte auch der Name Klugg auf. Der Bericht über seine eigenen Abenteuer folgte ganz am Ende und war eher knapp gehalten, erwähnte seine Abstecher nach China und nach Rom, gab jedoch keine Auskunft darüber, wie seine Suche am Ende zum Erfolg geführt hatte. Das Buch der Zeit wusste über die kleinen Geheimnisse jedes Einzelnen eine gewisse Diskretion zu wahren.
    Der letzte Absatz handelte von den Kräften, die dem heiligen Gegenstand zugeschrieben wurden, insbesondere von seiner Fähigkeit, ganz gleich in welcher Lage und ganz gleich in welcher Gefahr, das Leben seines Trägers zu bewahren und es zu verlängern, bis dieser beschließt, den Ring wieder abzunehmen. Sicher hatte dieser Absatz den Samuel der Vergangenheit darauf gebracht, dass der >Ältere< den Ring einfach nur anstecken musste, um sich zu retten. Samuel klappte das Buch der Zeit zu und legte seinen Kopf in die Hände. Er fühlte sich . . . merkwürdig. Nicht wirklich körperlich schlecht, sondern irgendwie aus der Bahn geworfen. Und er hatte nicht vergessen, dass er sich beeilen musste. Hinüber zum alten Max laufen, den blauen Plastik-Jeton nehmen, wieder aufbrechen ... Und sein Vater .. .
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