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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif
Autoren: Guillaume Prévost
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Sein Vater, der irgendwo da oben sein musste, gesund und munter. Was sollte er tun?
    In diesem Moment wurde im oberen Stockwerk eine Tür geöffnet, er hörte Musik. Eine wohlbekannte Stimme rief in den Keller hinunter:
    »Sammy? Du kannst kommen, wir sind so weit!«
    Lili . . . Die liebe, wunderbare Lili.
    »Sammy, hörst du mich?«
    Sam stand auf. Wie sollte er sich jetzt verhalten? Vorsichtshalber steckte er das Buch der Zeit wieder in die Papiertüte, stopfte seine Kleidung in einen leeren Karton und schob den steinernen Ring auf den Zeigefinger. Man konnte nie wissen . . .
    Lili kam jetzt die Treppe herunter. Sie trug ein hübsches weißes Kleid, die Haare offen auf der Schulter und zog einen amüsierten Schmollmund.
    »Sammy! Vergräbst du dich schon wieder im Keller! Soll dein Vater dir vielleicht lieber ein Bett und einen Fernseher hier unten aufstellen?«
    Sie hatte sich nicht verändert. Selbstbewusst, immer noch die gleiche spitze Zunge. Ein Glücksfall von einer Cousine.
    »Ich . . . ich habe nachgedacht«, entschuldigte sich Sam.
    »Ach, das ist ja was ganz Neues! Komm jetzt, alle warten auf dich!« Den Bruchteil einer Sekunde zögerte er, ihr zu folgen, was ihr natürlich nicht entging.
    »He! Geht es dir wirklich gut? Du wirkst ein bisschen durcheinander. Ist es etwa, weil du ein Jahr älter geworden bist?«
    »Äh . . . wahrscheinlich, ja.«
    »Wenn du erst ein Stück von deinem Kuchen gegessen hast, geht's dir bestimmt besser! Komm, beeil dich!«
    Sam trabte wie eine Aufziehpuppe hinter ihr her. Sein Geburtstag . . . Natürlich, heute war sein Geburtstag! Sein Vater musste ganz nah sein!
    Er würde mit ihm sprechen können, ihn berühren. Nur ein paar Minuten! Danach würde er sich um den blauen Jeton kümmern . . .
    Auf der Treppe wurde der Farbgeruch von herrlichem Schokoladenduft abgelöst und ein alter Rolling-Stones-Titel dröhnte ihm entgegen. Die Küchentür war geschlossen, doch die Tür zum Wohnzimmer stand weit offen. Auf der Türschwelle wartete Grandpa mit ausgebreiteten Armen auf ihn.
    »Sammy, warum spannst du uns so lange auf die Folter? Ich habe Hunger!«
    »Der Herr zieht sich zum Nachdenken in den Keller zurück«, lästerte Lili. »Kaum vierzehn und er macht sich schon Sorgen, wie schnell die Zeit vergeht!«
    »Was soll ich denn sagen, in meinem Alter?«, witzelte Grandpa.
    Sam schloss ihn gerührt in die Arme. Er hatte immer noch das Bild seines Großvaters vor Augen, der auf der Bettkante hockte, mit leerem Blick in den Himmel starrte und wirres Zeug redete. »Für dein Alter bist du doch noch ganz schön fit, Grandpa«, sagte er leise.
    »Es würde mir noch besser gehen, wenn ich endlich ein Stück von diesem verdammten Kuchen bekäme! Komm rein!«
    Samuel betrat den Geschäftsraum der Buchhandlung, der etwas anders aussah, als er ihn bis dahin kannte: Pastelltöne an den Wänden, dunkleres Holz für die Regale, eine Leseecke mit Sesseln und einem moderneren Sofa. Alles wirkte sehr einladend und war zur Feier des Tages mit bunten Girlanden und Blumensträußen geschmückt. Überall hingen kleine Schilder: Herzlichen Glückwunsch, Sammy! – Wir lieben unseren Sammy! – 14 Jahre und viel Glück!
    Sam musste sich sehr zusammenreißen, um sich nicht von seinen Gefühlen überwältigen zu lassen. Er war so durcheinander, dass er tatsächlich für ein paar Augenblicke den Eindruck hatte, dieses Haus sei tatsächlich seins, dass er sogar bei der Einrichtung mitgeholfen hatte. Er hätte schwören können, dass er persönlich die Wörterbücher dort links an der Wand eingeordnet hatte . . . Oder dass er selbst die Schilder Religionen und Esoterik im rechten Schaufenster angebracht hatte.
    Doch er durfte sich davon nicht täuschen lassen: Was immer er empfand, er war nur ein Durchreisender.
    »Ist Papa da?«, fragte er unruhig.
    »Bei der Stereoanlage und den Geschenken«, sagte sein Großvater. »Aber Finger weg!«
    Eilig ging Sam um ein Regal mit der Aufschrift Geschichte: Früh- und Spätmittelalter herum und erblickte seinen Vater direkt dahinter: über einen Stapel CDs gebeugt, neben dem Geburtstagstisch, auf dem zwei in glitzerndes Geschenkpapier eingeschlagene Pakete lagen.
    »Papa?«
    >Time, is on my side, yes it is!<, sang Mick Jagger gerade heiser.
    »Papa?«, wiederholte Sam etwas lauter.
    Dieses Mal drehte Allan sich um und lächelte breit.
    »Sam! Haben sie dich endlich reingelassen! Deine Großeltern lieben dieses Theater, heimliche Vorbereitungen hinter verschlossenen
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