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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif
Autoren: Guillaume Prévost
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Jahren zurückzukehren, musste er eine Art Verzerrung im Lebenslauf des jungen Samuel ausgelöst haben. Über Zeit und Raum hinweg musste eine besondere Verbindung zwischen ihnen beiden entstanden sein, eine Verbindung, die der Grund war für diese übernatürlichen Erinnerungsbilder. Immerhin hatte der Sam aus der Zukunft die Schmerzen des chirurgischen Eingriffs gespürt, warum sollte sich im Gegenzug nicht auch etwas von ihm auf den Samuel der Vergangenheit übertragen haben?
    »Es ... es tut mir leid.« Mehr brachte er nicht heraus.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, antwortete sein Double lächelnd. »Du bist nicht dafür verantwortlich. Oder wir beide sind es, denke ich. Denn in Wirklichkeit sind wir, du und ich, nur eine Person, nicht wahr? Das ist mir klar geworden, als Papa dieses Haus gekauft hat und ich es schon kannte, obwohl ich nie hier gewesen war! Von da an habe ich angefangen zu suchen und . . .«
    Er brach ab und fragte besorgt:
    »Aber du zitterst ja! Ist dir kalt?«
    Sam ging es in der Tat mit jeder Minute schlechter, er war kurz davor zusammenzubrechen. Seine Muskeln waren wie gelähmt und er hatte das Gefühl, bei der kleinsten Bewegung würde die dünne Membran reißen, die ihn noch zusammenhielt. Er hatte nicht vergessen, was mit Rudolf geschehen war . . .
    »Ich ... ich glaube, ich werde sterben«, flüsterte er. »Aber das macht nichts. Wenn du und Papa . . .«
    Weiter kam er nicht, zu viele traurige Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf, der ohnehin bald nur noch ein Funken sprühendes Etwas sein würde.
    »Du wirst nicht sterben«, sagte der andere Sam und trat zu ihm. »Du hast doch den Ring der Ewigkeit, oder? Du brauchst ihn nur auf deinen Finger zu stecken. So steht es hier drin!«
    Mit seiner freien Hand zog er das Ding, das er im Arm hatte, aus der Papiertüte und brachte ein wunderschönes altes Buch mit rotem Ledereinband zum Vorschein. Das Buch der Zeit ... Er hatte das Buch der Zeit!
    »Du bist ganz blass, du solltest dich lieber beeilen«, drängte er.
    Sam seufzte und dachte dabei, dass es bereits zu spät war: Sein ganzer Körper war nur noch wie ein riesiger Ballon, kurz davor zu platzen. Es kostete ihn übermenschliche Anstrengung, seine erstarrten Finger zu strecken. Mühsam schob er den Ring, den er immer noch umklammert hielt, ungeschickt auf seinen Zeigefinger. Er hatte nicht einmal Zeit, irgendetwas zu fühlen, als in einem grellen Lichtblitz das ganze Universum in unzählige Teilchen zu zerplatzen schien, die um ihn herumwirbelten und alles, was von seinem Bewusstsein übrig war, in sämtliche Himmelsrichtungen zerstreuten . . .
    Samuel lag ausgestreckt auf dem Boden. Im ersten Moment dachte er, er sei tot. Doch etwas kitzelte ihn an der Nase. Vorsichtig öffnete er ein Auge: Ein Styroporkügelchen klebte unter seinem Nasenloch. Offenbar hatte er den Keller nicht verlassen ... Er zitterte nicht mehr und hatte auch nicht mehr das Gefühl, explodieren zu müssen, obwohl er sich immer noch etwas beengt fühlte. Etwa einen halben Meter neben ihm erblickte er zu seiner Beruhigung das dicke rote Buch.
    Er stützte sich auf den Ellbogen, um aufzustehen, und bemerkte, dass der Ärmel seines Hemdes blütenweiß war. Und dass er eine Jeans anhatte.
    »Oh, Mann, was ist hier . . .?«
    Mit einem Satz war er auf den Beinen, ein leichtes Dröhnen im Schädel. Er war allein.
    »Samuel?«, rief er.
    Keine Antwort. Und das hatte seinen Grund . . . Einen Meter weiter, nicht weit vom Tisch lag ein Haufen Kleidungsstücke. Seine Kleidungsstücke. Als hätte er sich in aller Eile ausgezogen. Mit anderen Worten . . .
    »Das ist unglaublich! Ich träume wohl!« Er kniete vor seinem Leinenanzug und befühlte ihn von allen Seiten, Panik erfasste ihn. Kein Zweifel, es war seine Reisekleidung. Sogar der Goldreif steckte noch in einer der Taschen! Und ein Stück weiter, neben einem Tischbein, lag der Ring aus Stein, der dorthin gerollt sein musste.
    Samuel nahm ihn ängstlich hoch. Nein, das hier war kein Traum ... Er war tatsächlich kurz davor gewesen, zu implodieren und sich in einen weiß sprühenden Geysir zu verwandeln genau wie Rudolf. Nur dass er den Ring getragen hatte . . .
    Sam betastete vorsichtig Arme, Beine und Gesicht. Es war tatsächlich sein Körper. Weniger muskulös zwar, weniger geschmeidig . . . »Denn in Wirklichkeit sind wir, du und ich, nur eine Person, nicht wahr?« Der Satz klang ihm noch in den Ohren . . . Normalerweise hätte Sam sterben müssen, doch
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