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Das Lächeln der Kriegerin

Das Lächeln der Kriegerin

Titel: Das Lächeln der Kriegerin
Autoren: Pilipp Bobrowski
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    DIE BOTSCHAFT
     

     
    GRENZFESTE
     
    Lothiel nickte Vater Adar fröhlich zu. Für sie waren die seltenen Besuche in der Grenzfeste immer ein großes Ereignis. Es gab so viel zu bestaunen und zu entdecken. Allein dieses Menschengetümmel konnte sie, die sie das ganze Jahr auf einem einsamen Hof lebte, kaum begreifen. Dazu die ungewohnten Eindrücke: Die Rufe der Händler auf dem Markt, die ihre Waren anpriesen, darunter Dinge, die Lothiel nie zuvor gesehen hatte und deren Verwendungszweck ihr nicht selten ein Geheimnis blieb. Gerüche von Kräutern und Gewürzen, die weder im heimischen Wald noch in Mutter Naneth’ Kräutergarten zu finden waren, der Lärm, der aus Werkstätten und Gaststuben drang, um gemeinsam mit Staub und Schmutz die Straßen zu durchdringen. Wachen, die Lothiel immer sehr beeindruckten, standen auf ihren Posten, patrouillierten durch die Straßen oder saßen lachend bei einem Würfelspiel.
    Doch vor allem die Spiele der Kinder faszinierten Lothiel stets aufs Neue. Auf dem Hof spielte sie mit Hu, dem alten Jagdhund, oder ritt ein wenig auf Tass, wenn er nicht auf dem Feld oder vor dem Wagen gebraucht wurde. Sie besaß einige bunte, rund geschliffene Steine. Die zerschlissene Puppe, die Vater ihr vor einigen Jahren aus der Grenzfeste mitgebracht hatte, beachtete sie kaum noch. Meist nutzte sie die wenige Zeit, die ihr neben der Arbeit auf dem Hof blieb, um mit der Steinschleuder oder dem Bogen zu üben und oft brachte sie dann ein leckeres Abendbrot nach Hause.
    Aber die Kinder in der Grenzfeste erfanden wunderliche Spiele, bei denen sie sich gemeinsam vergnügten. Sie spielten mit ledernen Bällen, fochten mit hölzernen Schwertern, versteckten sich voreinander, jagten durch die Straßen, tru gen die spannendsten und lustigsten Wettkämpfe aus, die Lothiel sich vorstellen konnte. Sie blieb immer wieder stehen und staunte. Gern hätte sie sich dazugesellt und sich mit den anderen Kindern gemessen. Doch sie traute sich nicht, sie anzusprechen. Sicher würde sie alles falsch machen und den anderen zum Gespött werden. Außerdem durfte sie nicht trödeln. Vater hatte sie geschickt, mit dem ersten Geld, das er für ein Ferkel bekommen hatte, zu Meister Cennan, dem Kesselflicker, zu gehen, der die Löcher in dem kleineren ihrer beiden Kessel beseitigen sollte. Ei nen neuen konnten sie sich nicht leisten.
     
    Lothiel war froh, vom engen Treiben auf dem weiten Platz wegzukommen und durch die Feste zu streifen. Zwar gab es auch Kesselflicker auf dem Markt, doch Vater Adar war mit Cennan bekannt und bekam von ihm einen besonders günstigen Preis.
    Um zu ihm zu gelangen, musste sie in den zweiten Ring der Feste, die vor vielen Jahren zum Schutz der östlichen Grenzen Laindors erbaut worden war. Von Vater wusste Lothiel, dass die Anlage ursprünglich nur als Stützpunkt für die Kriegsheere der Königin gedient hatte. Doch seit der Sieg errungen war, hatte sie sich zu einer Stadt entwickelt, die bereits über die später errichtete äußere Mauer hinauswuchs. Cennan war hier schon zu Kriegszeiten seinem Handwerk nachgegangen, weshalb sich seine Werkstatt noch immer im alten Teil der Feste befand.
    Lothiel erreichte das große Tor zum zweiten Ring. Die dort postierten Wachen in ihren schwarz-weißen Waffenröcken mit dem Abzeichen des weißen Horns musterten sie nur kurz und ließen sie passieren. Hier war es ruhiger als im Rest der Stadt. Der zweite Ring, der die Burg des Gra fen umschloss, wurde vor allem von den Männern der Wache bewohnt. Außerdem befanden sich hier die Werkstätten der Waffen- und Rüstungsschmiede, Bogner, Zeltmacher, Steinmetzen und der anderen Handwerker, die vorwiegend für die Burg und den Grafen arbeiteten, sowie die Ställe, die Wachgebäude und das Haus der Bräuche.
    Cennans Werkstatt lag nicht weit vom Tor entfernt. Lothiel hielt sich rechts und bog nach wenigen Metern in eine kleine Gasse ein. Das Haus des Kesselflickers war an deren Ende direkt an die Mauer gebaut.
    »Hallo, mein Kind. Wir haben uns ja lange nicht gesehen. Bringst du mir einen Kessel?«
    »Ja, Meister Cennan. Mein Vater schickt mich, den kleinen zu flicken.«
    »Na, dann zeig ihn mal her.«
    Lothiel reichte dem alten Mann den Topf. Cennans Kopf zierte nur noch ein schmaler, silbriger Haarkranz. Dafür spross sein Bart umso gewaltiger. Wären da nicht die di cke, rote Knollennase und die kleinen freundlichen Augen, hätte man sich fast vor dem immer noch kräftigen Mann fürchten können. Die
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