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Das Lächeln der Kriegerin

Das Lächeln der Kriegerin

Titel: Das Lächeln der Kriegerin
Autoren: Pilipp Bobrowski
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Häuserwänden waren überfüllt mit fremden Menschen, zwischen denen sie sich hindurchzwängen musste, die ihr Sicht und Atem nahmen. Da … war das nicht ein roter Haarschopf? Doch wie sollte sie zu ihm gelangen? Die drängelnden Bürger hemmten ihre Schritte und der Lärm schluckte ihre Rufe. Sie stieß und schob sich vorwärts. Endlich erreichte sie Gilborn. Er war es tatsächlich. Sie berührte seine Schulter. Als er sich umdrehte, lächelte er sie freundlich an. Fast zu freundlich. Lothiel bemerkte, wie sein Gesicht sich veränderte, immer freundlicher wurde, während gleichzeitig der ganze Gilborn in die Höhe wuchs. Und nun war es nicht mehr der freche kleine Junge, es war der Schurke mit dem freundlichen Gesicht, der sie anlächelte. Lothiel erstarrte. Einen Moment konnte sie sich nicht bewegen. Dann warf sie sich herum und wollte davonlaufen. Doch hinter ihr stand der zweite Schurke, mit dem herabhängenden Lid und dem breiten Grinsen, das sein Gesicht zu dieser hinterhältigen Fratze verzerrte. Aus seinem Kopf wuchs eine riesige, bläulich schimmernde Beule. Der Schreck ließ sie wieder kehrtmachen. Aber der Freundliche jagte ihr noch mehr Angst ein als sein Kumpan. Nun entdeckte sie auch seine Wunde. In seiner Schläfe steckte noch immer der Stein und Blut sickerte in dünnen Rinnsalen über sein Gesicht. Sie schloss die Augen und wollte schreien, brachte jedoch keinen Ton hervor. Als sie die Augen wieder öffnete, war es erneut Gilborn, der vor ihr stand. Seine roten Haare tanzten im Wind. Sie bewegten sich in dichten Büscheln wie … Flammen! Gilborns Kopf brannte. Immer höher loderte das Feuer. Plötzlich stellte sie fest, dass sie allein waren. Die ganze Stadt war wie ausgestorben. Nur sie und der brennende Junge waren noch da. Gilborn verbrannte vor ihren Augen und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Jetzt gab es kein Halten mehr. Lothiel hörte sich schreien, rannte und rannte. Über den menschenleeren Marktplatz, zur vereinsamten Torstraße und durch das Stadttor, das sogar die Wachen verlassen hatten. Sie rannte weiter und erst als sie an der Mühle vorbeikam, hielt sie an, schaute zurück. Die Grenzfeste brannte. Von allen Dä chern, Mauern und Türmen schlugen die Flammen in den Him mel. Selbst die Burg des Grafen blieb nicht verschont. Und dann sah sie einen Reiter. Er ritt im gestreckten Galopp aus dem brennenden Tor und bog in die nördlichen Wälder ab. Eine Weile tauchte seine Gestalt immer wieder zwischen den Bäumen auf, dann war er verschwunden. Lothiel fühlte ihr Herz pochen. Und doch war es nicht mehr der Schrecken, der sie in der Feste überfallen hatte. Vergeblich suchte sie nach dem Mann, lauschte nach dem Tritt seines Pferdes, doch da war nichts mehr. Endlich hörte sie eine Stimme, die Stimme ihres Vaters: »Mach dir keine Sorgen, mein Kind.«
     

WEIDENBACH
     
    Lothiel schloss das Gatter des Stalls und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. Jetzt, da Adar verwundet im Bett lag, versuchten sie und ihre Mutter, neben ihrer eigenen auch einen Teil seiner Arbeit zu übernehmen. Denn das Feld musste für die Wintersaat vorbereitet werden. So war Lothiel in den vergangenen zwei Tagen schon vor den ersten Sonnenstrahlen aufgestanden, hatte Tass auf den Acker geführt und ihn vor den kleinen Pflug gespannt, während Naneth erst nach Vater gesehen, die Tiere versorgt und schließlich das Frühstück bereitet hatte, das Lothiel auf dem Feld verzehrte. Bis zum späten Vormittag war sie mit Pflügen beschäftigt gewesen, um dann, versorgt mit etwas Brot und Käse, die Schweine zur Mast in den Wald zu führen. Früher als gewöhnlich hatte sie die Tiere zurückgetrieben, denn so konnte sie bis zum Abend ein weiteres Mal aufs Feld.
    Als sie nun am Fenster zur Stube vorbeitrottete, vernahm sie die gedämpften Stimmen ihrer Eltern. Sie blieb stehen. Hatte sie da nicht ihren Namen gehört? Sie schlich zurück und spähte vorsichtig ins Haus. Naneth kniete vor dem Bett Adars und versorgte dessen Wunden. Dabei kehrte sie Lothiel den Rücken zu, die sich weit vorbeugte, um der leisen Unterhaltung der beiden folgen zu können.
    »Sei nicht ungerecht«, sagte Naneth gerade, während sie Adar mit einem feuchten Tuch die Stirn abtupfte. »Sie gibt sich redlich Mühe.«
    »Ich behaupte doch nicht, dass es ihre Schuld ist«, antwortete der Vater. »Ich liebe Loth, das weißt du. Sie ist ein fleißiges Kind, klug und mit vielen Talenten. Doch sie ist unser einziges. Und sie ist
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