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Das Lächeln der Kriegerin

Das Lächeln der Kriegerin

Titel: Das Lächeln der Kriegerin
Autoren: Pilipp Bobrowski
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Lebenskraut einen Trunk gegen die Schmerzen.
    »Wie geht es ihm?«, fragte Lothiel.
    »Er ist schwach, hat viel Blut verloren.«
    »Könnt Ihr ihm helfen, Nana?«
    »Die Wunde am Bein wird schnell verheilen, an der in der Schulter wird er noch eine Weile leiden müssen. Aber auch sie wird nur eine Narbe zurücklassen. Jetzt steh mir nicht im Weg, denn die Pfeile ziehen sich nicht von allein heraus.«
    Lothiel setzte sich zu Adar und sie beobachteten, wie Mutter dem Mann zunächst vorsichtig etwas von dem Trank einflößte, abwartete, bis er zu wirken begann, und dann die Wunden mit der Flüssigkeit betupfte. Lothiel beugte sich dicht zu Vaters Ohr herunter und flüsterte: »Sein Name ist Rochon.«
    »So?«, flüsterte Adar zurück.
    »Ein schöner Name, nicht wahr?«
    »Er gefällt dir wohl, Loth?«
    »Ja«, seufzte Lothiel und streichelte ihrem Vater verträumt über die Wange. »Hat er noch gesprochen, als ich im Stall war?«
    »Nein, er war zu schwach.«
    »Er hat eine Botschaft für die Königin. Laindor ist in Gefahr.«
    Adar antwortete nicht. Doch plötzlich nahm er ihre Hand in die seine und drückte sie fest. Lothiel begriff: Naneth versuchte, den Pfeil aus Rochons Schulter zu ziehen. Der Verwundete bäumte sich mit einem Schrei auf und schaute wild um sich. Dann schien ihm bewusst zu werden, wo er war. Er beruhigte sich, sank auf sein Lager zurück und biss die Zähne aufeinander.
    Lothiel litt mit ihm, als sei es ihre Schulter, in die sich der Pfeil gebohrt hatte. Als sie bemerkte, dass sie mit ihrer zweiten Hand die des Boten gegriffen hatte, fragte sie sich, ob Vaters Frage wirklich auf den Namen des Mannes ge zielt hatte. Sollte er befürchten, dass sich seine gestrige Vorahnung schon heute bestätigte? Lothiel wagte es nicht, seinen Gesichtsausdruck zu prüfen. Doch Rochons Hand ließ sie nicht los.
     
    Nach der Behandlung fiel der Verwundete in einen unruhigen Schlaf. Die Mutter schickte Lothiel an die Arbeit. Ihr war das gar nicht recht, hatte sie doch gehofft, Rochon würde bald die ganze Geschichte über die Ereignisse bei der Grenzfeste erzählen. Aber sie sah ein, dass die Arbeit getan werden und sie sich noch gedulden musste. Am Abend hatte der Mann noch immer nichts Zusammenhängendes von sich geben können und Lothiel legte sich schließlich enttäuscht schlafen.
    Am darauffolgenden Morgen aber wurde sie von den Rufen des Boten geweckt: »Erwacht!. Helft mir! Naurhir! Rimgarth! Laindor! Ihr müsst helfen!«
    Sofort sprang Lothiel auf und lief zu den Schlafstätten ihrer Eltern. Naneth kniete bereits wieder vor dem wild gestikulierenden Mann und versuchte ihn gemeinsam mit Adar, der sich trotz seiner Verletzungen aufgesetzt hatte, zu besänftigen.
    »Bleibt ruhig! Ihr müsst Euch zunächst selbst helfen. Die Aufregung fesselt Euch nur länger ans Bett«, sagte Naneth.
    »Erzählt uns der Reihe nach, was passiert ist. Dann werden wir sehen, was wir tun können«, sagte Adar.
    Rochon sah von einem zum anderen. Dann ließ er sich auf die Strohmatten zurückfallen. »Welcher Tag ist heu te?«, flüsterte er.
    »Es ist der sechzehnte des September«, antwortete Adar.
    »Dann ist es schon der dritte Tag, seit ich aufbrach, der vierte, seit wir eingeschlossen wurden.«
    Einen Moment schien es Lothiel, als sei das für Rochon eine furchtbare Erkenntnis, die ihn für immer stumm mach te.
    Doch dann sammelte er sich und begann zu erzählen: »Der Abend des zwölften September ging ebenso friedlich zu Ende wie alle Abende bisher, seit ich auf der Grenzfeste zu Hause bin. Aber die Nacht brachte das Grauen. Die Glocken des Turmes weckten mich. Als ich zu den Mauern lief, sah ich zunächst nur, dass es Brände in der Unterstadt gab. Ich überlegte schon, wo ich am besten helfen könnte, als ich der Fackeln außerhalb der Stadt gewahr wurde. Tausende von Fackeln. In einem großen Halbkreis beweg ten sie sich auf die Mauern zu. Das kleine Tor der Unterstadt stand bereits in Flammen. Ich sah Mitglieder der Wache, die die Menschen in die Feste trieben, doch schon hörte ich das Sirren von Pfeilen in der Luft. Ich rannte zum Haupt tor. In der Stadt herrschte Tumult. Menschen und Vieh liefen durcheinander. Als ich mein Ziel erreichte, kam bereits der Befehl, die Tore zu schließen. Der unbekannte Feind war schon in die Unterstadt eingedrungen.«
    Lothiel stöhnte auf. Ihr war es, als sei sie in dieser schrecklichen Nacht an der Seite Rochons durch die Straßen gehetzt, nur um festzustellen, wie vielen Menschen sie
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