Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel
Autoren: Chris Morgan Jones
Vom Netzwerk:
aus schwarzem Stahl und Glas. Über ihnen stand wachsam eine Kirche mit grünem Kupferdach, deren hässlicher eckiger Turm aus Ringen von gelben und roten Ziegelsteinen gemauert war. Über allem hing ein endloser grauer Himmel.
    »Hier ist die Potsdamer Straße«, sagte Black.
    »Sieht aus wie ein Architekturwettbewerb«, sagte Lock.
    »Da ist die Bibliothek«, sagte Black und zeigte an James vorbei auf ein Gebäude am Rand des Platzes. Es war gedrungen, gezackt, aus unregelmäßigen grauen und gelben Betonblöcken und schwarzgerahmten schrägen Glasflächen zusammengesetzt. An einer Wand verdeckten waschbrettähnliche Blenden die Fenster. Das Gebäude stand ein Stück von der Straße zurückgesetzt. Neben den anderen wirkte es zurückhaltend, gebildet, akademisch.
    »War das Ost oder West?«, fragte Lock.
    »Beides«, antwortete Webster.
    Sie fuhren an der Bibliothek vorbei und überquerten eine Brücke über den Kanal. Nach fünfzig Metern fuhr James an den Straßenrand, und Black und Webster stiegen aus.
    »Ich rufe Sie an, wenn er auftaucht«, sagte Webster und
schenkte Lock ein ruhiges, ermutigendes Lächeln, während er die Tür schloss.
    James fuhr wieder an und bog bei der nächsten Gelegenheit nach links in eine ruhigere Straße ein. Auf halber Höhe wendete er das Auto und parkte.
    »Das war’s«, sagte er.
    »Das war’s«, sagte Lock.

    Es war James’ Handy, das klingelte. Er nahm das Gespräch an, ohne ein Wort zu sagen, legte einen Gang ein und fuhr los. Lock schaute auf seine Handflächen; sie waren trocken.
    James parkte gerade außer Sichtweite der Bibliothek. Ein Mann, den Lock nicht kannte, kam an seine Autotür und öffnete sie.
    »Guten Tag, Sir. Sie müssen in den Cafeteria-Bereich. Gehen Sie hinein und dann rechts, dann sehen Sie es schon. Die Zielperson sitzt an einem Tisch mit Blickrichtung zur Tür. Sein Bodyguard steht ein kleines Stück dahinter.«
    »Danke.«
    »Viel Glück, Sir.«
    Lock tastete in den Taschen nach den beiden Handys. Da waren sie. Er machte sich auf den Weg.
    Sein Brustkorb fühlte sich leicht an, die Aktentasche wog schwer in seiner Hand. Er strich sich beim Gehen mit der freien Hand das Haar glatt. Bitte, lass es funktionieren, dachte Lock, lass es ihn sagen, lass ihn die Worte sagen. Er wollte der Welt erzählen, dass er ihn zu Fall gebracht hatte, er wollte, dass es jeder wusste. Die Journalisten sollten es wissen. Und Kesler. Und Tschechanow. Er wollte, dass es der schleimige Andrew Beresford erfuhr und all seine hochnäsigen englischen Freunde.

    Sein Vater sollte es wissen. Und Marina. Er wollte so sehr, dass es Marina wusste. Und Vika. Eines Tages auch Vika.
    Und Malin. Der jetzt da drinnen saß, mit seinem leeren Blick und seinem unergründlichen Willen. Lock wollte, dass Malin wusste, dass er es war.

    Die Bibliothek war erfüllt von geschäftigem Treiben und gedämpften Geräuschen. Eine alte Dame mit einer Art Schneeketten an den Füßen klapperte über den Steinfußboden. Lock ging in Richtung Cafeteria. Da war er. Er saß allein an einem gelben Tisch vor einem der Glasfenster, die sich an dieser Seite des Gebäudes entlangzogen, seine Masse wirkte absurd auf einem der spindeldürren Metallstühle. Auf dem Tisch vor sich hatte er eine Tasse Tee und einen Umschlag. Mit dem Rücken gegen eine Säule in einigen Metern Entfernung gelehnt stand Iwan, der Bodyguard. Lock hatte immer irgendwie gewusst, dass der etwas Besonderes war. Iwan beobachtete ihn, als er sich dem Tisch näherte.
    Lock spürte sein Herz bis zum Hals schlagen. Vier Tische weiter sah er Webster, der konzentriert eine deutsche Zeitung las. Die Cafeteria war ruhig, aber einige der Tische entlang der Fensterwand waren besetzt: ein bärtiger Mann mit einem Laptop; zwei Mädchen, die Sandwiches aßen; ein junger Mann mit Mütze und dicker schwarzer Brille, der sich über Papiere beugte, die er vor sich ausgebreitet hatte.
    »Sie sind gekommen«, sagte Lock auf Russisch.
    Malin drehte seinen Kopf einige Zentimeter in Richtung Iwan und nickte. Iwan trat heran und forderte ihn auf, seine Arme und Beine auszubreiten. Verunsichert tat Lock wie geheißen. Er schaute sich um, ungläubig, dass dies so offen an einem solchen Ort geschehen konnte. Iwan führte seine
Hände schnell an Locks Seiten, Beinen und unteren Rücken entlang, dann klopfte er ihm auf Bauch und Brust. Er griff in Locks Jackett und zog die beiden Handys heraus, inspizierte sie kurz und gab sie Lock zurück. Dann öffnete er die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher