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0455 - Der Lord und die Geister-Lady

0455 - Der Lord und die Geister-Lady

Titel: 0455 - Der Lord und die Geister-Lady
Autoren: Jason Dark
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Gilbert, der Butler, war viel gewohnt. Die neue Aufgabe ging aber zu weit, außerdem hatte er Angst. Nicht einmal eine Woche lag die Beerdigung zurück. Im engsten Kreise war Lady Mary Danford zu Grabe getragen worden. Der Lord war hinter dem Sarg hergeschritten, ohne Gefühle zu zeigen.
    »Wollen Sie nicht, Gilbert?«
    »Doch, Sir, doch.« Gilbert drehte sich um. »Ich muß mich nur erst an die Lage gewöhnen.«
    »Tun Sie das.« Der Lord nickte, griff in die Tasche seines dunkelgrauen Staubmantels und holte eine Zigarette hervor. Als er das Stäbchen anzündete, befand er sich bereits auf dem Weg zurück.
    »Ich werde in einer Stunde kommen und nachschauen, wie weit Sie mit der Arbeit sind, Gilbert.«
    »Sehr wohl, Sir.«
    Der Lord blieb stehen, schaute seine Zigarette an und danach den Butler. »Noch eine Bitte, Gilbert. Wenn Sie auf den Sarg stoßen sollten, bevor ich wieder bei Ihnen bin, seien Sie vorsichtig – ja?«
    »Selbstverständlich, Sir.«
    »Gut, die Lady wird es Ihnen danken, Gilbert.« Lord Danford nickte noch einmal, drehte sich um und schritt davon.
    Der fünfzigjährige Butler starrte seinem Brötchengeber mit offenem Mund nach. Auf seinem Rücken lag eine Gänsehaut. Die Lady wird es Ihnen danken, hatte der Alte gesagt. Verdammt, die Lady war tot. Tot und begraben. Sie lag unter der Erde und würde sich hüten, wieder zurückzukehren.
    So sah der Normalfall aus.
    Andererseits war Lord Danford ein außergewöhnlicher Mann.
    Sehr belesen, er war viel gereist. Auf seinem Landsitz hatte er Forschungen betrieben und sich dabei mit den Naturwissenschaften beschäftigt. Besonders die Toxikologie, die Giftkunde, hatte ihm am Herzen gelegen. Man wußte bei dem Lord nie, woran man eigentlich war, und Lady Mary hatte diese Haltung akzeptiert.
    »Es geht mich ja auch nichts an!« murmelte der Butler. »Sollen die doch machen, was sie wollen.« Mit diesem Vorsatz drehte er sich um und schaute nach dem Werkzeug, das tatsächlich vom Gärtner bereitgestellt worden war.
    Eigentlich hatte sich Gilbert auf dem Friedhof nie unwohl gefühlt.
    Das war nun anders. Nachdem er erfahren hatte, was in der nächsten Stunde seine Aufgabe war, kam ihm der Friedhof zu dieser Zeit, es war der Einbruch der Dämmerung, unheimlich vor.
    Er fürchtete sich vor den vereinzelt stehenden Grabsteinen, die von den starken Zweigen und Ästen der Laubbäume beschützt wurden. Von den Bergen fiel ein kalter Wind. Oben im Norden hatte es bereits geschneit. Der Schnee würde zu dieser Jahreszeit aber wieder wegtauen.
    Dennoch war es kalt. Schon jetzt trieben einige Blätter durch die Luft. Das Zeichen für einen frühen Herbst.
    Der Boden war weich, wenn man die gepflegten und kiesbestreuten Wege des Friedhofs verließ. Eine Schaufel und einen Spaten hatte Gilbert mitgenommen. Neben dem Grab blieb er stehen und wunderte sich zum erstenmal darüber, daß Lady Mary Danford hier und nicht in der Familiengruft beerdigt worden war.
    So etwas war allerhand und eigentlich noch nie geschehen. Aber der Lord hatte manchmal ungewöhnliche Ideen, auch der Tod seiner Frau war so plötzlich gekommen, daß einige Leute schon darüber redeten, schließlich war die Lady gesund gewesen.
    Aber weshalb wollte der Lord den Sarg seiner Frau wieder aus der Erde haben? Sollten die Gerüchte stimmen? Dem Butler rann es kalt den Nacken und den Rücken hinab. Diese Aufgabe gefiel ihm nicht.
    Weigern konnte er sich auch nicht. Der Lord konnte auch unangenehm werden.
    Und so machte sich Gilbert an die ungewohnte Arbeit. Er nahm zuerst den Spaten und stach die weiche Erde auf. Sie war allerdings auch feucht und dementsprechend schwer, das merkte Gilbert besonders, wenn er die Last zur Seite schleuderte.
    Die Dämmerung nahm zu. Erste Nebelschwaden krochen durch den Park, der den Landsitz der Danfords umgab. Sie waren wie feuchte Tücher, die sich um Baumstämme und Grabsteine wickelten. Trotz der Kühle geriet der Butler ins Schwitzen, die ungewohnte Arbeit strengte ihn an, sein Rücken war gekrümmt, dadurch verspürte er Schmerzen, und er legte jetzt öfter eine Pause ein als zu Beginn.
    Hin und wieder fluchte er auch leise vor sich hin und schrak zusammen, als er plötzlich vom breiten Strahl eines Scheinwerfers erfaßt wurde, der über ihm im Baum installiert worden war.
    Die Bemerkung verschluckte er aber, denn er wußte plötzlich, daß der Lord vom Haus her den Scheinwerfer eingeschaltet hatte. Die Lampen waren an einigen exponierten Orten des Gartens
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