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0455 - Der Lord und die Geister-Lady

0455 - Der Lord und die Geister-Lady

Titel: 0455 - Der Lord und die Geister-Lady
Autoren: Jason Dark
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sofort, Sir.« Gilbert schluckte. Er fürchtete sich vor diesem letzten Schritt, doch er konnte nicht ablehnen.
    Danford merkte, was in seinem Angestellten vorging. »Stellen Sie sich nicht so an, Gilbert. Sie haben in Ihrem Leben doch schon öfter eine Tote gesehen.«
    »Das schon, Sir, aber die Lady.«
    »Sie wird uns noch einige Überraschungen bereiten, wenn es nach meinem Plan geht.«
    Gilbert fragte nicht danach, welche Überraschungen es wohl sein würden, doch er schloß die Augen, als er nach dem Deckel faßte, seinen inneren Schweinehund überwand und das Oberteil des Sargs mit einem Ruck in die Höhe hob.
    Freie Sicht.
    Er hörte das kurze Lachen des Lords, schaute jetzt hin und wurde bleich wie eine Kalkwand.
    Lady Danford lag im Sarg, dessen Inneres prächtig ausgestattet war. Eigentlich unterschied sie nichts von einer normalen Toten, bis auf eine Kleinigkeit.
    Ihre Augen standen offen!
    ***
    Der Butler wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Er stand eingeklemmt zwischen Sarg und Grabwand, seine Hände preßte er gegeneinander, die Finger waren verschlungen. Er atmete keuchend und stoßweise, während der Lord wieder lachte.
    »So habe ich es mir gedacht, Gilbert.«
    Nur schwerfällig drehte der Butler den Kopf und schielte in die Höhe. »Was haben Sie sich gedacht, Sir?«
    »Daß meine Frau so im Sarg liegt.«
    »Mit… mit offenen Augen, Sir?«
    »Natürlich.«
    Der Butler schluckte und wischte über sein schweißfeuchtes Gesicht. Daß er dabei einen Schmutzstreifen auf der Stirn hinterließ, störte ihn nicht. »Sir, mir steht es eigentlich nicht zu, Ihnen das zu sagen, aber ich muß es loswerden.«
    »Bitte.«
    »Ich war doch dabei, als man Lady Danford zu Grabe trug. Ich habe sie gesehen, ich sah sie im Sarg liegen, und da… da waren ihre Augen geschlossen.«
    »Sicher, aber jetzt sind sie offen.«
    »Sir, wie ist das möglich?«
    »Gilbert, fragen Sie nicht danach, sondern nehmen Sie es einfach zur Kenntnis. Außerdem ist Ihre Aufgabe fast beendet. Steigen Sie aus dem Grab und nehmen Sie meinen Platz ein.«
    »Und Sie, Sir?«
    »Machen Sie schon.«
    »Natürlich, entschuldigen Sie.« Die Glieder des Butlers zitterten, als er das Grab verließ. Seine Arme wollten beim Aufstützen das Gewicht kaum tragen. Er stolperte auch noch über die Kante, und der Lord hielt ihn fest, sonst wäre er gefallen.
    »Himmel, sind Sie ängstlich, Gilbert.«
    »Danke, Sir, daß Sie mir geholfen haben.« Der Butler streifte mit den Händen über seine Hosenbeine. »Der Sarg, ich bin kein ängstlicher Mensch, aber der Anblick ist mir tief in die Knochen gefahren.«
    »Sie sollten sich das für die Zukunft abgewöhnen.«
    Gilbert starrte den wesentlich größeren Lord staunend an. »Wie meinen Sie das, Sir?«
    »Na ja, es gibt Dinge im Leben, die muß man einfach zur Kenntnis nehmen, verstehen Sie?«
    »Nein, ehrlich gesagt.«
    »Das werden Sie bald. Und jetzt lassen Sie mich vorbei. Ich möchte zu meiner Frau.«
    Gilbert schauderte zusammen. Wie dieser Mann das sagte. Er wollte zu seiner Frau. Als würde sie noch leben. Dabei war sie seit fast einer Woche tot und hatte unter der Erde gelegen. Aber wenn Gilbert ehrlich war, so mußte er sich eingestehen, daß sie sich kaum verändert hatte.
    Trotz seines Alters verstand es der Lord, sich sicher und auch geschmeidig zu bewegen. Er stieg in das Grab, als wäre er ein junger Mann, und blieb neben der rechten Seite stehen.
    Der Nebel war mittlerweile dichter geworden. Er kam jetzt von allen Seiten und schien für die Scheinwerfer ein besonderer Anziehungspunkt zu sein, denn dort ballten sich die meisten Schwaden.
    Gilbert trat vorsichtig näher. Er hatte nicht gewagt, danach zu fragen, aber er wußte genau, daß der Lord irgend etwas mit seiner eigenen Frau vorhatte. Eigentlich rechnete er damit, daß er ihr die Augen schließen würde oder sie aus dem Grab hob. Diesem Mann, der manchmal so undurchsichtig wirkte und fast die ganze Welt kannte, war alles zuzutrauen.
    Um so überraschter war Gilbert, als er mitbekam, wie der Lord in die rechte Manteltasche griff und eine Einwegspritze hervorholte.
    Der Lord beugte sich tiefer.
    Gilbert konnte nur zuschauen. Er spürte das Hämmern seines Herzens, Schweiß stand plötzlich auf seiner Stirn, und er leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen.
    Was genau geschah, bekam er nicht mit, weil der breite Rücken des Lords ihm die Sicht nahm. Sehr schnell aber richtete sich Danford wieder auf und wartete ab.
    Gilbert
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