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Lykandras Krieger 3 - Wolfskriegerin (German Edition)

Lykandras Krieger 3 - Wolfskriegerin (German Edition)

Titel: Lykandras Krieger 3 - Wolfskriegerin (German Edition)
Autoren: Kerstin Dirks
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London, 1859
     
    „D u musst es tun, überwinde dich“, flüsterte Mutter in ihr Ohr. „Du hast Glück, sieh ihn dir an. Ein solch stolzer Kerl kommt nicht oft hierher.“
    Keira blickte zu dem hochgewachsenen Mann auf, der lässig an der Bar lehnte und sie zärtlich anlächelte. Zweifels-ohne war er von hohem Stand. Seine Gewänder wirkten edel und kostbar. Niemand mit geringem Einkommen konnte sich solch prachtvolle Kleider leisten. Sicherlich war er ein Nachfahre jener Aristokraten, die vor einem halben Jahrhundert ihre Heimat Hals über Kopf verlassen hatten, als die Revolution ausgebrochen war. Ihre Vermutung rührte daher, dass sie in seiner Stimme einen leisen französischen Akzent vernommen hatte.
    „Nur Mut, Keira“, sagte Mama und wandte sich ihrem eigenen Kunden zu, nahm ihn mit auf ihr Zimmer, wie sie es oft getan hatte. Auch in Keiras Anwesenheit.
    Keira klammerte sich nervös an einer Stuhllehne fest und musterte ihren Freier. Er sah aus wie jemand, der Manieren hatte. Keiner jener dreckigen Kerle, die herkamen, nach Alkohol stanken und sich nahmen, was sie wollten – für ein paar Münzen. Nein, dieser Mann sah aus, als nähme er hin und wieder ein Bad. Mutter hatte recht. Sie hatte Glück, dass er sie wollte.
    Für Keira würde es das erste Mal sein, dass sie sich einem Mann hingab. Aber eben das reizte den Fremden. Er hatte nach einer Jungfrau gesucht und war gekommen, weil ihm jemand den Hinweis gegeben hatte, dass einige Huren hin und wieder ihre reifen Töchter in das Gewerbe einführten.
    Galant bot er ihr seinen Arm und Keira wusste nicht, was sie tun sollte. Doch sein Lächeln war so milde, so sanft, dass sie alle Angst verlor. Es war merkwürdig. Ohne ihn zu kennen, hatte sie doch plötzlich das Gefühl, ihm vertrauen zu können. Als bestünde von einer Sekunde zur nächsten eine gewisse Magie zwischen ihnen. Sie konnte nicht umhin, ihn attraktiv zu finden. Elegant, grazil, anmutig. Er hatte ein seltsames Mal auf der Stirn, aber das hatte er so gut es ging mit Puder abgedeckt. Nur wenn man genau hinsah, sah man die Umrisse.
    Sie nahm seinen Arm und er strich zärtlich über ihre Wange. Es fühlte sich schön an. „Hab keine Angst“, flüsterte er. „Es wird dir gefallen. Ich werde es schön für dich machen.“
    Täuschte sie sich oder roch sie ein süßes Parfüm, das ihn umwehte, gleich einer zarten Wolke aus feinem Duft? Verspielt tippte sein Finger gegen ihre Unterlippe.
    „Und du hast noch nie …?“
    „Nein, mein Herr.“ Sie senkte den Blick. Ein wenig schämte sie sich, dass sie ihre Jungfräulichkeit auf diese Weise verlor. Insgeheim hatte sie gehofft, dass sie ihrem Schicksal irgendwie würde entrinnen können, vielleicht sogar ein bürgerliches Leben führen konnte. Mit einem anständigen Mann an ihrer Seite. Doch nun stand sie kurz davor, den Weg einzuschlagen, den auch ihre Mutter gegangen war.
    „Hast du Angst?“, fragte er und streichelte erneut ihr Gesicht. Seine Berührungen waren wunderschön. Niemand hatte sie je so zärtlich angefasst. Sie konnte nicht genug davon bekommen.
    „Ein wenig“, gab sie zu und zwang sich zu einem Lächeln.
    „Das brauchst du nicht, meine Schöne.“
    Langsam führte er sie zum Ausgang und Keira folgte ihm. Die Blicke der anderen Mädchen entgingen ihr nicht. Sie sahen ihr neidvoll hinterher. Sicher wünschte sich jede von ihnen, auch solch ein Glück zu haben wie sie, die nun von einem feinen Herrn mitgenommen wurde, der gewiss ordentlich etwas springen ließ, wenn er mit ihren Diensten zufrieden war. Keira atmete tief durch, und als sie die Türschwelle überschritten und in die Nacht hinaustraten, verabschiedete sie sich von ihren Träumen, ergab sich dem Unausweichlichen. Diese Nacht war bedeutungsvoll. Sie würde über ihr Schicksal entscheiden. In diesem Moment fand sie sich damit ab, dass sie als Hure arbeiten würde. Bei Tag würden die Männer die Nase über sie rümpfen und bei Nacht würden genau dieselben Männer vor ihrer Tür stehen, um ihr Geld in die Taschen zu stecken. Keira würde eine gute Hure sein. Eine, die viel Geld heranschafft. Heute Nacht würde sie sich alle erdenkliche Mühe geben, um diesen besonderen Kunden zufriedenzustellen.
    Sie hatten das kleine, unauffällige Hafenetablissement mit der roten Lampe am Eingang hinter sich gelassen und schlenderten an den Docks entlang. Es war eine friedliche, aber kühle Nacht. Dichte Nebelschwaden waberten über den Boden, sodass Keira nicht einmal ihre Füße
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