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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel
Autoren: Chris Morgan Jones
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angerufen? Warum?«
    »Um zu sehen, wie viel von ihm noch übrig ist.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich habe ihm gesagt, dass mein Vater genau beobachtet, was er tut. Dass er endgültig verloren wäre, wenn er dir wehtut.«
    »Was hat er geantwortet?«
    »Dass sein Gewissen rein ist. Dass du keinen Grund hättest, ihn zu fürchten.«
    »Du glaubst ihm?«
    »Er hat gesagt, ich würde eines Tages erfahren, dass er alles für dich getan hat, was er konnte.«
    Lock schnaubte. »Alles trifft es ganz gut.«
    »Ich hatte den Eindruck, er selbst glaubt es.«
    Ein Dutzend sarkastische Bemerkungen fielen ihm ein. Berechtigt, wahrscheinlich. Sie hatte ihn aufgefordert umzukehren, jetzt schien sie ihm die Rückkehr zu Malin nahezulegen.
Er sah die Einwände, aber er fühlte anders. Marina war einfach nur genauso verängstigt, wie er es gewesen war.
    »Glaube ihm nicht«, sagte er, und eine Welle der Energie durchströmte ihn bei dem Gedanken, dass er diese ganze Angelegenheit nun abschließen konnte. Er würde Konstantin die Bedingungen diktieren; er würde sich selbst befreien; er würde dieser Angst ein Ende setzen, die sein Leben langsam ausgehöhlt hatte, und ihres ebenso.
    »Ich wollte nur …«
    »Tu es nicht. Er hat sein Pulver verschossen. Er will, dass du mich überzeugst.«
    »Wirst du mit ihm reden?«
    »Ich rede mit ihm. Morgen.«
    »Nicht in Moskau?«
    »Das kann ich dir nicht sagen.«
    Die Leitung war still. Er konnte ihre Augen sehen, die gerunzelte Stirn, voller Traurigkeit.
    »Vielleicht bin ich morgen wieder in London«, sagte er. »Oder übermorgen.«
    Immer noch Schweigen.
    »Marina?« Er wusste, dass sie weinte. »Schatz, es ist okay. Ich habe etwas, das er will.«
    »Okay.«
    »Die Dinge haben sich geändert. Jetzt schon.«
    »Gut.«
    Er hörte, wie der Rhythmus ihres Atems stockte. Der See war, abgesehen vom sanften Klingeln der Bootstakelage, still. Er hielt nach Enten Ausschau, konnte aber keine entdecken. »Wo ist Vika?«
    »Nebenan. Wir sind gerade mit dem Essen fertig. Sie wird in einer Sekunde hier sein.«

    »Gibst du ihr einen Kuss von mir?«
    »Ja.«
    Sie schwiegen wieder, und Lock wusste, dass Marina nicht nur aus Angst, sondern auch aus Hoffnung weinte. Sie war wieder stolz auf ihn, und ihr Weinen erfüllte ihn mit Leichtigkeit, fast mit Jubel. Es würde funktionieren. Nicht an allem klebte das Unglück.
    »Ich muss aufhören«, sagte er.
    »Das solltest du.«
    »Es wird alles gut.« Er zögerte. »Ich liebe dich. Es tut mir leid, dass ich das jemals vergessen habe.«
    »Ich weiß.«
    »Ich rufe dich morgen an. Wenn es vorbei ist.«

    Am Montagmorgen fühlte Lock sich ruhig. Alle Unruhe, alle Anspannung der letzten Wochen waren seltsamerweise von ihm abgefallen, und er wusste, sie würden nicht zurückkehren. Malin kam. Lock hatte ihn in der vorigen Nacht angerufen und ihn mit wenigen Worten, die er regelrecht genoss, instruiert, nach Berlin zu fliegen. Malin kam, und er kam nicht als sein Herr und Meister, sondern als Bittsteller. Und egal wie der heutige Tag ausgehen würde, Malin würde nie mehr sein Herr und Meister sein.
    Lock erwachte früh, kurz nach sechs. Der Lichtstreifen unter der Tür zeigte ihm, dass Webster schon wach war. Er saß im Dunkeln und stellte sich den Tag vor. Malin würde irgendwann heute Morgen landen. In ein paar Stunden würden sie ihn anrufen und ihm sagen, er solle um Mittag zur Staatsbibliothek in der Potsdamer Straße kommen. Die Berliner Staatsbibliothek. Webster hatte ihm erklärt, dass das Gebäude offen, aber beherrschbar war; belebt, aber nicht
hektisch. Ein nüchternes, stilles Gebäude, in dem man das Treffen kontrollieren konnte.
    Draußen war das Schwarz des Himmels einem tiefen Blau gewichen.

    Sie fuhren in George Blacks Auto in die Stadt. Lock mochte Black. Er war kein großer Mann, aber die Art und Weise, wie er sich bewegte, strahlte eine Souveränität aus, die Lock Sicherheit vermittelte. Sie saßen zu viert im Auto: Black, Webster, Lock, und am Steuer ein kultivierter junger Mann namens James. George und James waren in gewisser Weise genau wie ihre russischen Pendants und andererseits überhaupt nicht wie sie. Zum Beispiel verhielten sie sich viel höflicher.
    Black drehte sich in seinem Sitz um und erklärte, dass vier weitere Männer bereits in Berlin waren. Sie waren in und um die Bibliothek postiert und würden Locks Sicherheit gewährleisten. »Wobei es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass er in aller Öffentlichkeit etwas versuchen wird«,
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