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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel
Autoren: Chris Morgan Jones
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zurückschlägt, öffnet sich die Tür, und das Neonlicht geht
flackernd an. Zwei uniformierte Polizisten schieben einen Hotelangestellten zur Seite und betreten den Raum. Einer der beiden steht über Webster, seine Mütze verdeckt das Licht der Lampe. Er teilt ihm in ruhigem, gleichmütigem Russisch mit, dass er liegen bleiben soll; der andere durchsucht das Zimmer, öffnet Schubladen, leert eine Tüte auf den Boden aus. Webster kneift die Augen zusammen und will aufstehen, doch der erste Polizist hindert ihn daran. Sein Kollege zieht mit drei langen Bewegungen den Film aus Websters Kamera und beginnt dann, seine Notizen durchzublättern.
    Webster will nach seinem Notizbuch greifen, aber er wird ins Bett zurückgestoßen. Bevor die Polizisten die Tür hinter sich schließen, teilen sie ihm mit, dass er das Land mit dem nächsten Flug verlassen soll.
    Seine Kamera liegt weit geöffnet auf der Kommode, die Kleidungsstücke vom Vortag sind über den Boden verstreut.
    Er hastet barfuß die Treppe ins nächste Stockwerk hinauf, nimmt immer drei der gefliesten Treppenstufen auf einmal. Er muss seine Wut mit jemandem teilen. Inessas Tür steht offen, die Angst greift nach seiner Brust, als er in ihr Zimmer tritt. Sie ist weg.

    Der Nachtportier sitzt in einem Sessel in seinem Büro, der Fernseher läuft mit heruntergedrehtem Ton. Er runzelt die Stirn, und als Webster ihn nach der Polizeistation fragt, schaut er ihm nicht in die Augen.
    Er rennt die ganze Strecke, die zwei Taschen auf seinem Rücken schwingen wild hin und her, seine Lungen krampfen sich zusammen, sein Atem geht rasselnd. Inzwischen ist es sechs Uhr morgens, und ein gleichmäßig graublaues
Licht beginnt, die Stadt zu wecken. Autos fahren vorbei, aber er sieht niemanden. Außer Atem und wütend erklärt er am Empfang der Polizeiwache einem Beamten, dass er Journalist ist und dass er, wenn sie seine Freundin nicht auf der Stelle freilassen, die britische Botschaft und jeden Zeitungsredakteur, den er kennt, verständigen wird. Der Beamte schaut ihn einen Moment lang gleichgültig an, dann holt er einen Kollegen, und sie nehmen ihn fest.

    Die Wände seiner fensterlosen Zelle sind grau gestrichen, zwei bloße Holzbretter dienen als Betten; er hat Glück, sie für sich allein zu haben. Mit dem Kopf in den Händen hockt er unter der einsamen nackten Glühbirne, deren Licht jeden Fleck und jeden Spalt des feuchten Betonbodens findet. Nicht zum ersten Mal befindet er sich an einem solchen Ort, und für Inessa ist es Routine. Trotzdem sitzt eine seltsame Angst in seiner Brust. Er will sie sehen, ihr versichern, dass man sie bald freilassen wird. Manchmal durchbricht ein Geräusch die Stille: ein Schrei, wildes Singen, eine zuschlagende Metalltür. Er raucht, um die Zeit zu vertreiben, und fängt an, in seinem Kopf seine Geschichte aufzuschreiben.
    Niemand kommt, um ihn zu vernehmen, und er fragt sich, ob das hier noch lange dauern wird. Um die Mittagszeit herum hört er, wie die Zellentüren nacheinander geöffnet werden, und bereitet sich darauf vor, dass etwas passieren wird, aber es ist nur ein Wärter, der das Essen bringt. Als er auf seinem Tablett herumstochert, hört er Stimmen, die sich auf Kasachisch überbrüllen, geschriene Befehle und das Stakkato schwerer Stiefel. Der Tumult nimmt kein Ende. Wieder öffnet sich seine Tür. Zwei Polizisten kommen herein und führen ihn weg, an jedem Arm einer, ohne auf seine
Fragen zu reagieren. Als sie in den Korridor treten, dreht er den Kopf und sieht drei Offiziere in einer offenen Zellentür stehen. Einer von ihnen, seine breite Brust ein Mosaik aus Orden, tritt mit verschränkten Armen einen Schritt zurück. Zu seinen Füßen liegt eine Trage.
    Webster reißt einen Arm los und ruft Inessas Namen, Angst schnürt seine Kehle zusammen. Als sie ihn wieder in ihren Griff nehmen und weiterzerren, beginnt er zu toben und zu schreien. Er windet und wehrt sich, aber sie ziehen ihn vorwärts, seine Füße stolpern über den Boden. Plötzlich hallt ein Ruf wie ein Peitschenknall den Korridor entlang, und die Männer, die ihn festhalten, bleiben stehen und drehen sich um. Der Offizier mit den Orden winkt einmal kurz, und sie gehen mit Webster zurück, bis er vor der Zelle steht.
    Drinnen halten zwei Wärter einen Gefangenen fest, drücken sein Gesicht gegen die Wand, einen Arm haben sie ihm hinter den Rücken gebogen. Sein weißes Hemd ist schmutzig und voller roter Spritzer. Auf dem Boden liegt Inessa auf dem Rücken, ein
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