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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel
Autoren: Chris Morgan Jones
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anderes nehmen.«
    »Okay. Aber keinen Wein.«
    Webster bestellte auf Deutsch. »Also, was ist passiert? Warum sind Sie nicht geflohen?«
    »Mir fiel ein, dass die Schweizer angefangen hatten, nachzufragen. Sie hatten einen meiner Leute in Zürich zu einem Gespräch vorgeladen. Wussten Sie das?«
    Webster schüttelte den Kopf.
    »Also waren das nicht Sie?«
    »Wir waren es nicht.«
    »Ist wohl auch egal. Ich dachte, sie würden mich an der Grenze aufhalten, und das wäre es gewesen.« Lock brach sich ein Stück Brot ab. Er nahm einen kleinen Bissen und kaute langsam. Das Brot fühlte sich komisch an in seinem Mund. »Aber ich glaube nicht, dass sie es getan hätten.«

    »Vielleicht doch. Wahrscheinlich noch nicht jetzt.«
    »Genau. Ich glaube, ich hatte einfach Angst. Oder ich wollte einfach nicht gehen.«
    »Weil das Paradies nicht so toll ist, wie alle sagen?«
    »Ich glaube nicht, dass ich wieder jeden Tag in der Sonne liegen könnte.«
    »Also was wollen Sie?«
    »Ich habe keine Ahnung. Keine Ahnung.« Hatte er doch, dachte Lock. Er wollte in London leben und seine Frau und sein Kind sehen. Doch es laut auszusprechen, würde Unglück bringen.

    Am Sonntag sahen sich Lock und Webster kaum: Webster fuhr nach Berlin, um zusammen mit George einen geeigneten Ort für das Treffen zu finden, und Lock verbrachte den Tag in seinem Zimmer und entwickelte einen Plan für die Übergabe von Faringdon.
    Am Nachmittag wanderte er auf einem in den Schnee getrampelten Pfad um den See herum und beobachtete die Enten. Die Metallringe an den Masten der Boote klingelten leise im Wind wie Kuhglocken, und über seinem Kopf beugten sich schwarze Zweige unter ihrer Last aus gefrorenem Weiß. Auf dem Wasser lag ein leichter Nebel, und alles war in Silbergrau getaucht. Zwanzig Meter hinter ihm folgte einer von Georges Leuten.
    Er wollte mit Marina sprechen. Sie würde sich Sorgen machen. Webster hatte erklärt, dass Malin den Anruf abhören, die Nummer von Locks Telefon ermitteln und versuchen würde, es zu lokalisieren. Selbst wenn sie dieses Telefon anschließend zerlegten und auf den wachsenden Haufen ausgedienter Handys warfen, würde Malin vielleicht
dennoch in der Lage sein herauszufinden, von welchem Handy der Anruf kam – und obwohl ihm dafür nicht viel Zeit blieb und die Chancen, so etwas an einem Sonntag schnell zu bewerkstelligen, nicht besonders groß waren, konnten sie nicht riskieren, dass ihr Aufenthaltsort entdeckt wurde. Doch Lock hatte darauf bestanden, und so hatte Webster eine einfache Lösung vorgeschlagen, die ihnen zumindest den halben Tag Vorsprung garantieren würde, den sie brauchten: Sie würden die Schaltzentrale einer befreundeten Londoner Firma anrufen, die dann wiederum die Telefonzentrale einer freundlichen Firma in New York anrufen würde, die den Anruf schließlich an Marinas Nummer weiterleiten würde. So konnte Malin auf den ersten Blick nichts weiter sehen – zumindest solange er nicht einen oder zwei Tage Arbeit investiert hatte – als zwei scheinbar völlig unzusammenhängende Telefonnummern, die keine Rückschlüsse auf Lock zuließen. Webster meinte, das sollte ausreichen, vorausgesetzt, dass Lock darauf achtete, nicht zu erwähnen, wo genau er war, was er vorhatte und mit wem er es vorhatte. Für Lock, der eigentlich nur seiner Frau sagen wollte, dass er sie liebte, erschien das alles übertrieben vorsichtig.
    Er machte den Anruf. Eine Minute später hörte er Marinas Stimme in der Leitung, die irgendwie unerwartet nah klang.
    »Hallo. Ich bin’s.«
    »Richard. Gott sei Dank. Wo warst du?«
    »Tut mir leid. Es war schwer anzurufen.«
    Marina war still. »Du hättest mir Bescheid sagen sollen.«
    »Tut mir leid. Wirklich.« Eine Pause trat ein. »Wie geht es dir?«
    »Ich habe Angst. Wo bist du?«

    »Tut mir leid, Liebling. Mir geht es gut. Ich wollte dir keine Angst machen.« Unwillkürlich durchfuhr ihn ein freudiger Schauer bei dem Gedanken, dass sie an ihn gedacht hatte. »Ich glaube, ich habe einen Ausweg gefunden.« Er wartete auf eine Antwort. »Ich kann nicht darüber sprechen, aber ich treffe mich mit Konstantin. Ich halte einen Deal für möglich.«
    »Ich habe mit ihm gesprochen.«
    »Er hat wieder angerufen?«
    »Ich habe ihn angerufen.«
    Lock verspürte einen kleinen Stich der Angst – nicht Angst vor Malin, aber Angst davor, dass ihre Pläne aus dem Ruder liefen. Er blieb stehen und schaute über den See. Sein Bodyguard stoppte einige Meter hinter ihm.
    »Du hast ihn
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