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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes
Autoren: Bethan Roberts
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mein Knie. »Ich hätte in deiner Situation dasselbe getan«, sagte sie.
    Ich sah sie an. »Was willst du damit –«
    »Oh Marion. Tom ist mein Bruder. Ich hab’s immer gewusst, ist es nicht so? Obwohl ich natürlich gehofft habe, dass er sich geändert hat. Ich weiß nicht, warum … Na ja. Lassen wir das jetzt. Trink deinen Tee«, sagte sie. »Bevor er kalt wird.«
    Ich tat, wie sie befahl. Er schmeckte bitter und stark.
    »Weiß Tom davon?«, fragte sie. »Von dem Brief?«
    »Natürlich nicht.«
    Sylvie nickte. »Sag ihm auch nichts davon. Das würde nichts ändern.«
    »Aber –«
    »Marion. Es ist, wie ich gesagt habe. Sie verhaften Leute nicht wegen einem Brief. Ich weiß, du bist Lehrerin und alles, aber so viel Macht hast du auch nicht, nicht wahr?« Sie stupste mich an und lächelte. »Es ist das Beste. Du und Tom, ihr könnt noch einmal neu anfangen, wenn er nichts davon weiß.«
    In dem Moment stieß Kathleen einen Unmutsschrei aus, bei dem wir beide aufsprangen. Sylvie verzog das Gesicht. »Kleine Prinzessin. Keine Ahnung, wo sie das herhat.« Sie drückte meine Schulter. »Mach dir keine Sorgen«, sagte sie. »Du hast mein kleines Geheimnis für dich behalten. Jetzt behalte ich deins für mich.«
    Ich verließ Sylvie, damit sie nach ihrer Tochter sehen konnte, und ging zur Schule. Ich kümmerte mich nicht um mein zerknittertes Kleid oder meine unordentlichen Haare. Ich hätte es eigentlich müssen. Es war immer noch früh, also setzte ich mich ans Pult und starrte auf den Druck »Die Verkündigung« mit der nichts ahnendenMaria, der über der Tür hing. Ich bin nie religiös gewesen, aber in dem Moment wünschte ich, ich könnte um Vergebung beten oder zumindest so tun, als ob ich betete. Aber ich konnte es nicht. Ich konnte nur weinen. Um acht Uhr morgens in dem stillen Klassenzimmer legte ich meinen Kopf aufs Pult, schlug mit der Faust aufs Klassenbuch und ließ die Tränen fließen.
    Als ich aufhören konnte zu weinen, machte ich mich daran, mich für den Tag herzurichten. Ich glättete meine Haare, so gut es ging, und zog die Strickjacke, die an meinem Stuhl hing, über das Kleid. Die Kinder würden bald kommen und für sie zumindest könnte ich Mrs Burgess sein. Sie würden mir Fragen stellen, auf die ich größtenteils die Antworten wusste. Sie würden dankbar sein, wenn sie belohnt wurden, ängstlich, wenn sie ausgeschimpft wurden. Sie würden – meistens – auf eine Art reagieren, die ich voraussehen konnte. Ich konnte ihnen bei kleinen Dingen helfen, die vielleicht einmal in ihrem Leben den großen Unterschied machten. Das war ein Trost und ich sollte mich viele Jahre daran festhalten.
    An dem Abend wartete Tom am Tisch am vorderen Fenster auf mich. Ich sah sein betroffenes Gesicht durch die Scheibe und wäre beinahe weitergegangen, an unserer Tür vorbei bis ans Ende der Straße. Aber ich wusste, dass er mich gesehen hatte, und hatte keine andere Wahl, als ins Haus zu gehen und ihm gegenüberzutreten.
    Als ich in die Tür trat, stand er auf, warf dabei fast den Stuhl um. Sein Hemd war zerknittert und seine Hände zitterten, als er versuchte, sein Haar glatt zu streichen. »Patrick ist verhaftet worden«, platzte er heraus, bevor ich zwei Schritte ins Zimmer gemacht hatte. Ich nickte kurz und ging in die Küche, um mir die Hände zu waschen.
    Tom folgte mir. »Hast du nicht gehört? Patrick ist –«
    »Ich weiß«, sagte ich, Wasser von den Händen schüttelnd. »Nachdem du gestern Abend nicht nach Hause gekommen warst, bin ichzu seiner Wohnung gegangen, um dich zu suchen. Patricks Nachbar hat mich mit Freuden darüber informiert, was geschehen war.«
    Tom blinzelte. »Was hat er gesagt?«
    »Dass die Polizei gestern Abend gekommen ist und ihn mitgenommen hat.« Ich langte hinter Tom nach einem Geschirrhandtuch, um meine Hände damit abzutrocknen. »Und dass alle im Haus wussten, dass er – ein Homosexueller ist.« Ich sah Tom nicht an, während ich sprach. Ich konzentrierte mich darauf, jeden Finger sorgfältig abzutrocknen. Das Geschirrhandtuch, das ich benutzte, war dünn und ausgefranst, mit einem verblassten Bild des Brightoner Pavillons darauf. Ich erinnere mich, dass ich dachte, ich sollte es bald ersetzen. Ich redete mir sogar ein, dass es kein Wunder wäre, dass Tom nicht der Ehemann war, den ich mir erhofft hatte, wenn ich so eine schlechte Hausfrau war. Eine mit dünnen, schmutzigen Geschirrhandtüchern.
    Während ich in der Küche stand und das alles dachte, war Tom ins
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