Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes
Autoren: Bethan Roberts
Vom Netzwerk:
Polizist auf der Anklagebank wäre eine Katastrophe gewesen.
    Ungefähr einen Monat später bekam er eine andere Stelle als Wachmann in einer Fabrik. Er hatte Nachtschichten, was uns beiden recht war. Wir konnten uns kaum ansehen und ich wusste nicht, was ich zu ihm sagen sollte. Ich besuchte dich einmal im Gefängnis,hauptsächlich aus Reue über das, was ich getan hatte. Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es da nicht etwas in mir gab, das einfach sehen wollte, wie unglücklich du warst. Ich sagte Tom nichts von dem Besuch und schlug ihm nicht vor, dasselbe zu tun. Ich wusste, allein die Erwähnung deines Namens könnte ihn veranlassen, durch die Tür zu gehen und nie wiederzukommen. Es schien, als könnte alles nur unter der Bedingung absoluten Schweigens weitergehen. Wenn ich die Wunde berühren würde, ihre Ränder untersuchen würde, würde sie niemals heilen. Und so machte ich weiter, ging zur Arbeit, bereitete Mahlzeiten, schlief am Rand des Bettes, entfernt von Toms Körper. Auf eine Art war es genau so, wie bevor ich Tom geheiratet hatte. Mein Zugang zu ihm war so begrenzt, dass ich begann, mich an Spuren seiner Anwesenheit zu klammern. Wenn ich seine Hemden wusch, presste ich sie ans Gesicht, um seine Haut zu riechen. Ich verbrachte Stunden damit, seine Schuhe ordentlich unter dem Bett aufzustellen, seine Krawatten im Schrank zu ordnen, seine Socken zu Paaren in der Schublade. Er hatte das Haus verlassen, verstehst du, und es waren nur noch Spuren von ihm da.

 
     
     
     
     
    HEUTE ABEND HABE ICH gelogen. Es war schon spät und Tom war in der Küche und machte sich etwas zu essen. Er war wie gewöhnlich den ganzen Tag draußen gewesen. Ich stand in der Tür, beobachtete, wie er Käse und Tomaten in Scheiben schnitt und sie auf dem Brot verteilte. Während ich dastand, erinnerte ich mich daran, wie er mich, als wir frisch verheiratet waren, an Wochenenden damit überraschte, dass er Lunch machte. Mir fiel ein weiches Omelett mit geschmolzenem Käse innen ein und, einmal, French Toast mit durchwachsenem Speck und Ahornsirup. Ich hatte noch nie zuvor Ahornsirup probiert und er erzählte mir ganz stolz, dass du ihm eine Flasche davon geschenkt hättest.
    Er blickte prüfend unter den Grill, beobachtete, wie der Käse in der Hitze Blasen bildete.
    »Dr. Wells war heute hier«, verkündete ich und setzte mich an den Tisch. Er gab keine Antwort, aber ich war entschlossen. Also wartete ich. Ich wollte meinen Mann nicht anlügen, wenn er mir den Rücken zuwandte. Ich wollte ihm ins Gesicht lügen.
    Als er sein Essen auf einen Teller gefüllt und sich Messer und Gabel genommen hatte, bat ich ihn, sich zu mir zu setzen. Er hatte das meiste gegessen, bevor er sich den Mund abwischte und aufsah.
    »Er sagte, Patrick hätte nicht mehr lange zu leben«, sagte ich mit fester Stimme.
    Tom aß weiter, bis sein Teller leer war. Dann lehnte er sich im Stuhl zurück und antwortete: »Na ja. Das haben wir die ganze Zeit gewusst, oder? Dann wird es Zeit für ein Pflegeheim.«
    »Dafür ist es zu spät. Er hat noch eine Woche.«
    Unsere Blicke trafen sich.
    »Höchstens«, fügte ich hinzu.
    Wir hielten beide dem Blick des anderen stand.
    »Eine Woche?«
    »Vielleicht weniger.«
    Ich wartete einen Augenblick, bis diese Information ganz angekommen war, bevor ich fortfuhr: »Dr. Wells sagt, es ist unbedingt notwendig, dass wir weiter mit ihm sprechen. Es ist alles, was wir jetzt tun können. Aber ich kann es nicht alleine. Deshalb dachte ich, dass du es vielleicht könntest.«
    »Was könnte?«
    »Mit ihm reden.«
    Es herrschte Schweigen. Tom schob seinen Teller weg, verschränkte die Arme und sagte ganz ruhig: »Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte.«
    Ich hatte die Antwort parat. »Dann lies etwas. Du könntest ihm vorlesen. Er antwortet nicht, aber er kann dich hören.«
    Tom beobachtete mich aufmerksam.
    »Ich habe etwas geschrieben«, sagte ich so beiläufig wie möglich. »Etwas, das du ihm laut vorlesen könntest.«
    Er lächelte fast vor Überraschung. »Du hast etwas
geschrieben?«
    »Ja. Etwas, das ihr beide hören sollt.«
    »Was soll das alles bedeuten, Marion?«
    Ich holte tief Luft. »Es ist über dich. Und mich. Und Patrick.«
    Tom stöhnte.
    »Ich habe darüber geschrieben – was passiert ist. Und ich möchte, dass ihr es beide hört.«
    »Herrgott«, sagte er kopfschüttelnd. »Wozu?« Er starrte mich an, als wäre ich vollkommen wahnsinnig geworden. »Wozu um alles in der Welt,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher