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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes
Autoren: Bethan Roberts
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davon sprechen.«
    Es entstand eine lange Pause, während der wir uns anstarrten. Julias Gesicht war blass und ihr Mund entschlossen zu einer Linie zusammengepresst. Ich schlug zuerst die Augen nieder. Einen schrecklichen Moment lang dachte ich, ich müsste weinen.
    Julia seufzte. »Sieh dich an. Du bist völlig durchnässt. Hast du irgendetwas anzuziehen?«
    Ich sagte nein. Sie schnalzte mit der Zunge und fasste mich am Arm. »Komm mit.«
    Im Eckschrank in Julias Klassenzimmer hingen zwei Tweedröcke und ein paar Strickjacken an der Rückseite der Tür. »Ichhabe sie für Notfälle«, sagte sie. »Hier.« Sie nahm den größeren Rock vom Haken und drückte ihn mir an die Brust. »Der müsste passen. Er ist ein bisschen grässlich, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Nimm ihn.«
    Er war überhaupt nicht grässlich. Er war aus fein gewebtem Stoff in sattem Violett. Zu meiner geblümten Bluse sah er etwas merkwürdig aus, aber er passte perfekt, berührte meine Oberschenkel und endete gerade über dem Knie. Ich behielt ihn den ganzen Tag an, sogar nachdem mein eigener Rock getrocknet war. Ich trug ihn, als ich nach Hause ging, und hängte ihn in den Schrank neben Toms Hochzeitsanzug. Julia hat mich nie gebeten, ihn ihr zurückzugeben, und ich habe ihn immer noch, sorgfältig zusammengelegt in der unteren Schublade.
    Am nächsten Abend kam ich spät nach Hause, ich hatte in ein paar zusätzlichen Stunden die Unterrichtsstunden der folgenden Tage vorbereitet. Ich schleuderte meinen Korb in der Küche in die Ecke, band eine Schürze um und schälte hastig Kartoffeln und wendete Kabeljau in Mehl für Toms Abendessen. Als ich die Kartoffeln in Streifen geschnitten und in Wasser gelegt hatte, sah ich auf die Uhr. Halb acht. Er würde um acht nach Hause kommen, also hatte ich noch eine halbe Stunde, um mich zurechtzumachen, meine Haare in Ordnung zu bringen und mich mit einem Buch hinzusetzen.
    Aber bald ertappte ich mich dabei, dass ich nicht wirklich las, denn meine Augen schweiften immer wieder zur Uhr auf dem Kaminsims. Viertel nach acht. Halb neun. Zwanzig vor neun. Ich legte das Buch hin und ging zum Fenster, öffnete es und beugte mich hinaus, um die Straße hinauf und hinunter zu sehen. Als ich keine Spur von Tom entdeckte, wies ich mich selbst zurecht, nicht albern zu sein. Wenn man Polizist war, hatte man keine regelmäßigen Arbeitszeiten. Das hatte er mir oft genug gesagt. Einmalwar er über sechs Stunden später gekommen. Er kam mit einem Bluterguss auf der Wange und einer Schnittwunde über dem Auge. »Schlägerei im Bucket of Blood«, erklärte er ziemlich stolz. »Wir mussten dort eine Razzia machen und es wurde unangenehm.« Ich muss zugeben, dass ich es genossen habe, seine Wunden zu säubern. Ich holte eine Schüssel mit warmem Wasser, fügte einen Tropfen Dettol zu, weichte einen Wattebausch in der Flüssigkeit ein und trug es sanft auf seine Haut auf, wie ein gutes Kindermädchen. Tom hatte ganz zufrieden dagesessen und zugelassen, dass ich ihn bemutterte. Als ich den Bluterguss auf seiner Wange küsste und ihm sagte, er solle sich nicht wieder in eine solche Situation bringen, hatte er gelacht und gesagt, dass das noch gar nichts wäre.
    Heute Abend würde etwas Ähnliches der Grund sein, sagte ich mir. Nichts, womit er nicht fertigwerden würde, nichts, um sich Sorgen zu machen. Vielleicht könnte ich ihn sogar wieder pflegen, wenn er nach Hause kam. Und so legte ich den Fisch wieder in den Kühlschrank, briet mir ein paar Kartoffeln und ging nach oben ins Bett.
    Ich musste sehr müde gewesen sein, denn als ich aufwachte, wurde es gerade hell und Tom war nicht in unserem Bett. Ich sprang auf und eilte nach unten, rief dabei seinen Namen. Er war spät nach Hause gekommen und im Sessel eingeschlafen. Das war schon einmal passiert, erinnerte ich mich. Aber es war kein Tom im Wohnzimmer, es standen keine Schuhe neben der Tür und keine Jacke hing am Haken. Ich stürzte wieder nach oben und zog die Sachen an, die ich am Abend vorher auf den Boden geworfen hatte. Als ich das Haus verließ, hatte ich vor, zur Polizeiwache zu gehen. Aber als ich die Southover Street hinuntereilte und dabei merkte, dass ich eine Jacke hätte anziehen sollen – es war noch nicht sechs und noch kalt –, überlegte ich es mir anders. Ich hörte Tom sagen –
Warum hast du das gemacht? Willst du, dass sie micheinen Pantoffelhelden nennen?
– und beschloss, es bei seiner Mutter zu versuchen. Ich war jedoch nur mit dem
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