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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes
Autoren: Bethan Roberts
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Problem, aber es war auch sein Glück«, fuhr ich fort. »Denn er traf einen Mann, einen älteren Mann, den er sehr gerne mochte. Dieser ältere Mann ging mit Tom ins Theater, in Kunstausstellungen und die Oper und er eröffnete ihm eine vollkommen neue Welt.«
    Berts Gesichtsmuskeln sind jetzt bewegungslos. Seine Augenlider flattern.
    »Tom hörte dem Mann gerne zu, genau wie du mir gerne zuhörst. Er nahm sich eine Frau, aber es bedeutete nichts. Er sah den älteren Mann weiterhin, sooft er konnte. Denn Tom und der ältere Mann liebten sich sehr.«
    Bert kommt dicht an mich heran. »Verdammt, warum wechseln wir nicht das Thema, Kumpel.«
    Aber ich höre nicht auf zu reden, ich kann nicht aufhören. »Sie liebten sich. Aber der Mann kam durch eine falsche Zeugenaussage ins Gefängnis, weil er leichtsinnig gewesen war. Toms Stolz und Angst hielten ihn davon ab, den Mann jemals wiederzusehen. Trotzdem hörte der Mann nicht auf, ihn zu lieben. Er wird ihn immer lieben.«
    Die ganze Zeit, während ich rede, versammeln sich noch mehr Männer um mich, angezogen durch Berts stille Wut. Ich bin sicher, sie haben darauf geachtet, dass der Schließer in die andere Richtung sieht, während Bert mir in den Magen boxt, bis ich zu Boden gehe. Ich rede die ganze Zeit weiter, selbst als mir seine Schläge die Luft nehmen. Er wird ihn immer lieben, sage ich. Wieder und wieder. Dann tritt Bert mich in die Brust und jemand anders tritt mir in den Rücken und ich bedecke mein Gesicht mit denFäusten, aber es nützt nichts, denn die Tritte hören nicht auf. Und ich bringe immer noch die Worte heraus. Er wird ihn immer lieben. Und ich denke daran, wie Tom zu mir in die Wohnung kam, so wütend auf mich, weil ich ihn wegen des Porträts angelogen hatte, und stelle mir vor, dass er es ist, der mich tritt, wieder und wieder und wieder, und ich flüstere immer noch seinen Namen, bis ich nichts mehr spüre.

 
PEACEHAVEN, DEZEMBER 1999
    HEUTE KAM DR. WELLS , unser Hausarzt. Er ist ein ziemlich junger Mann – nicht über vierzig – mit so einem komischen kleinen Bart, der nur das Kinn bedeckt. Er ist schnell, aber gründlich, bewegt sich fast geräuschlos im Zimmer, was ich ein bisschen irritierend finde. Ich bin mir sicher, dass dich seine stille Art auch ärgert. Wenn er dich untersucht, unterlässt er zwar das plumpvertrauliche Gebrüll, auf das sich die meisten von ihnen verlegt haben (» UND WIE GEHT ES UNS HEUTE ?« – als würde man, wenn man krank ist, umgehend stocktaub werden), was eine Erleichterung ist, aber dieses Herumschleichen ist fast schlimmer.
    »Wir müssen uns kurz unterhalten, Marion«, sagte er, nachdem wir dich dem Schlaf überlassen hatten. Ich habe ihm nie das Du angeboten, aber ich ließ es durchgehen. Wir setzten uns an entgegengesetzte Enden des Sofas. Ich bot ihm Tee an, aber er lehnte ab, offenbar wollte er schnell weiterkommen.
    Er fing gleich mit seiner Rede an. »Ich fürchte, Patricks Gesundheitszustand verschlechtert sich. Die Muskelkoordination, die Sprache und der Appetit haben sich in den letzten paar Wochen nicht wirklich verbessert, so wie ich das sehe. Und heute scheint sein Zustand beträchtlich schlechter. Ich glaube sogar, dass er einen dritten Schlaganfall erlitten haben könnte.«
    Da ich wusste, wo diese »kurze Unterhaltung« hinführte, sprang ich dir sofort zur Seite. »Er hat doch gesprochen. Er hat den Namen meines Mannes gesagt. Ziemlich deutlich.«
    »Das sagten Sie. Aber das ist einige Zeit her, oder?«
    »Ein paar Wochen … «
    »Ist das wieder vorgekommen?«
    Ich konnte nicht lügen, Patrick, obwohl ich wollte. »Nein.«
    »Ich verstehe. Sonst etwas?«
    Ich versuchte wirklich, mich an irgendwelche anderen Anzeichen der Besserung zu erinnern, die bestimmt eintreten wird. Aber wir wissen beide, dass es bis jetzt kaum Anzeichen dafür gegeben hat, dass es dir besser geht. Und so schwieg ich.
    Dr. Wells strich sich über den Bart. »Wie kommen Sie und Ihr Mann zurecht? Jemanden zu pflegen ist eine Herausforderung.«
    Ist dir aufgefallen, dass heutzutage alles eine
Herausforderung
ist? Was ist aus schwierig und einfach nur schrecklich geworden? »Wir kommen gut zurecht«, sagte ich, bevor er etwas über Sozialarbeiter und unterstützende Netzwerke sagen konnte. »Sogar sehr gut.«
    »Tom ist im Moment nicht hier?«
    »Ich hab ihn einkaufen geschickt.« Die Wahrheit war, dass er früh mit dem Hund weggegangen war und ich absolut keine Ahnung hatte, wo er sein könnte. »Um Milch zu
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