Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes
Autoren: Bethan Roberts
Vom Netzwerk:
lange Stille, bevor sie mich direkt ansah und sagte: »Nein.«
    »Keine weiteren Fragen«, sagte Jones.
    Aber Marion sprach weiter. »Er konnte sehr gut mit den Kindern umgehen. Er war sogar wunderbar mit ihnen.«
    Ich nickte ihr zu. Sie nickte kaum merklich zurück.
    Es war eine kurze, unsentimentale und völlig zivilisierte Verständigung.
    Danach konnte ich nur noch daran denken, was mit Tom passieren würde. Was werden sie jetzt mit ihm machen? Und wie kann er mir jemals meine Dummheit verzeihen?
    Aber mein Polizist wurde nicht noch einmal erwähnt, trotzdem lag mir sein Name für den Rest der Verhandlung und von diesem Tag an auf der Zunge.
    An unserem letzten Tag in Venedig fuhren wir zu der winzigen Insel Torcello, um uns Mosaiken anzusehen. Tom war still auf dem Boot, aber ich vermutete, dass er wie ich in den Anblick der Stadt versunken war, die hinter uns verschwand. In Venedig weiß man nie, was Wirklichkeit und was Spiegelbild ist, und vom hinteren Ende eines Vaporettos aus gesehen, erscheint die ganze Stadt wie eine entfernt im Nebel treibende Fata Morgana. Nach dem ständigen Glockenläuten, Geklapper von Kaffeetassen und Geplapper von Reiseführern, kurz nach San Marco, war die Stille von Torcello ein Schock. Keiner von uns sagte etwas, als wir die Basilika betraten. Ich fragte mich, ob ich es mit dem Kulturprogramm übertrieben hatte. Vielleicht hätte Tom den Nachmittag lieber damit verbracht, in Harrys Bar Bellinis zu trinken. Wir schauten die leuchtenden Rot- und glänzenden Goldtöne des Jüngsten Gerichtes an. Die zur Hölle Verdammten wurden mit Speeren des Teufels nach unten getrieben. Einige wurden von Flammen verschlungen, einige von wilden Tieren. Die Unglückseligsten taten es selbst, aßen ihre eigenen Hände, Finger für Finger.
    Tom stand lange Zeit da, schaute die schreckliche Ecke an, in die die Sünder gedrängt worden waren. Noch immer sagte er kein Wort. Ich bekam Panik bei dem Gedanken, zurück nach Englandzu fahren. Bei dem Gedanken, getrennt zu sein. Bei dem Gedanken, ihn zu teilen. Ich ergriff seinen Arm, suchte sein Gesicht, sagte seinen Namen. »Wir können nicht zurückfahren.«
    Er tätschelte meine Hand. Lächelte, ein gelassenes, amüsiertes Lächeln. »Patrick«, sagte er. »Du redest gerade Unsinn.«
    »Zwing mich nicht zurückzufahren.«
    Er seufzte. »Wir müssen zurückfahren.«
    »Warum?«
    Er blickte zur Decke. »Du weißt, warum.«
    »Sag’s mir. Ich hab es anscheinend vergessen. Andere Leute machen das auch. Andere Leute leben in Europa zusammen. Sie gehen weg, sie führen ein glückliches Leben …«
    »Du hast eine gute Stellung in England. Ich auch. Ich kann kein Italienisch. Wir haben beide Freunde, Familie … Wir können hier nicht leben.«
    Er klang so ruhig, so endgültig. Mein Trost ist immer noch, dass er sie nicht erwähnt hat. Nicht einmal sagte er: Weil ich verheiratet bin.
    Ein Brief von Mutter.
    Mein lieber Tricky,
    ich bin zu einem Entschluss gekommen. Wenn du entlassen wirst, möchte ich, dass du zu mir ziehst. Es wird sein wie in alten Zeiten. Nur besser, weil dein Vater nicht hier sein wird. Du hast JEDE Freiheit, die du haben willst. Ich bitte dich nur, mir bei den Mahlzeiten Gesellschaft zu leisten und hinterher ein oder zwei Gläser mit mir zu trinken. Was die Nachbarn denken – zum Kuckuck mit ihnen.
    Vergib einer alten Frau ihr Gefasel.
    Deine dich immer liebende
    Mutter
    P.S. Ich hoffe, du weißt, dass ich dich besuchen würde, wenn der Arzt es mir erlauben würde. Aber es ist NICHTS , worüber du dir Sorgen machen musst.
    Das Schreckliche ist, dass das im Moment ein sehr gutes Angebot zu sein scheint.
    Heute kam Marion, um mich zu besuchen.
    Die ganze Nacht lag ich wach und habe mich gefragt, ob ich sie versetzen soll. Sie kommen und warten lassen, mit zitternden Handschuhen, perfekt frisierten Haaren, die langsam vom Schweiß feucht werden. Sie warten lassen mit den stark geschminkten Ehefrauen von Betrügern, den schreienden Kindern von Schlägern, den enttäuschten Müttern der sexuell Perversen. Sie diejenige, die umkehren und wieder gehen muss, weil sie abgewiesen wird.
    Aber am Morgen wusste ich, dass ich nichts dergleichen tun würde.
    Burkitt brachte mich um drei zum Besucherraum. Ich hatte keine Mühe darauf verwandt, anständig auszusehen. Genau genommen, hatte ich mich an dem Morgen besonders schlecht rasiert und freute mich über meine Schnitte und Schürfwunden. Ein ziemlich armseliger Wunsch, sie zu schockieren. Vielleicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher