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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang
Autoren: Annette Meyers
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Wetzon
hinter Bonnie hinaustrat; dann brandete der Applaus auf und umfaßte sie. Ihre
Hände waren kalt, und ihr Herz hämmerte. Das Mikrophon ragte drohend vor ihr
auf; doch während sie dem Klatschen lauschte, fühlte sie sich lebendiger, als
sie seit Jahren gewesen war. Und ängstlicher. Die schrecklich-schöne Angst, die
sie beinahe vergessen hatte.
    Ihre Augen konnten kaum etwas erkennen, denn die
Spotlights blendeten und isolierten sie auf der Bühne, aber sie hörte und
spürte das vollbesetzte Haus. Sie wußte, wo Silve-stri saß. Er war da. Sie
brauchte ihn nicht zu sehen.
    Die Darsteller tippten an die Zylinder als Gruß
fürs Publikum und begannen zu singen.
    Nach jeder Nummer mußten sie wieder auf die
Bühne und sich für den Beifall bedanken, der zum Tosen anschwoll.
    Alles rückte unerbittlich auf ihr Solo
»Zeitmaschine« zu... und dann war es plötzlich soweit — ab nach vorn und in die
Mitte.
    Sie klatschten Beifall, als sie ihren Platz vor
den tiefer gestellten Mikrophonen einnahm, aber inzwischen klatschten sie wohl
zu allem. Die Blechbläser spielten die Melodie, und sie berührte kaum noch den
Boden. Die Musik hob sie, trug sie, ließ sie fallen, wirbelte sie herum und
ließ sie schließlich allein, um die Nummer zu beenden, in absoluter Stille bis
auf das Klacken der Tanzschritte. Pirouette, langsam, langsamer, langsamer,
halt.
    Dann, irgendwie, war sie draußen. Wie war sie in
die Seitenkulisse gelangt? Sie hatte Silvestri vergessen, Smith, sogar Terri.
Alles vergessen bis auf die Schritte, die Bühne und die Musik.
    »Du warst sagenhaft, Häschen!« Carlos zog sie an
sich und drückte sie kräftig. »Geh hinaus und laß dich bejubeln.« Er schob sie
auf die Bühne, und das gesamte Publikum stand auf und applaudierte. Sie
verneigte sich und zog sich zurück. Plötzlich fiel ihr das Atmen schwer, so
sehr klopfte ihr Herz gegen die Rippen.
    »Hat man jemals einen solchen Abend erlebt?«
fragte Bob Rosen mit geröteten Wangen. Er hörte nicht auf, Wetzon auf die
Schulter zu klopfen.
    Wetzon strahlte. »Verdammt, es macht Spaß, nicht
wahr?«
    Dann rauschte sie durch das Finale, und es war
vorbei. Wahrhaftig, sie würde nie wieder dieselbe sein. Wie viele Menschen bekommen
schon die Chance, einen Triumph nach achtzehn Jahren zu wiederholen?
    »Es ist wundervoll gelaufen, Leute!« rief Mort.
»Super!«
    Als sie sich verneigten, brachten die Leute Blumensträuße
zur Vorbühne. Die Truppe drehte sich um, zeigte mit den Armen auf JoJo,
verneigte sich vor ihm und applaudierte ihm. Dann verneigte sich JoJo und
applaudierte dem Ensemble.
    Medora und Foxy kamen auf die Bühne. Auch sie
erhielten Rosensträuße.
    Hinter der Bühne öffneten sie Champagner, ließen
die Flasche herumgehen; er schäumte über Plastikgläser, ihre Hände, auf den
Fußboden. Alle lachten laut. Applaus, die Klänge des Klatschens, die Liebe, die
vom Publikum auf die Spieler zuflutet, waren eine Droge, ein Aufputschmittel.
    Wetzon stahl sich davon. Sie wollte dies
auskosten, hegen und pflegen und nicht mit anderen teilen.
    »Selbstverständlich gibt es ein Leben nach Combinations, und deshalb stehe ich hier«, sagte Bonnie zum Kameramann.
    »Phantastische Arbeit, Leslie«, sagte Foxy. »Ich
bin froh, daß wir es auf Band haben.«
    »Ohne deine großartige Partitur hätte ich es
nicht machen können. Es war eine Freude, danach zu tanzen.« Erschrocken
bemerkte Wetzon, daß Foxy Tränen in den Augen hatte.
    Foxy beugte sich vor und küßte sie auf die
Wange. »Danke, Leslie. Das bedeutet mir sehr viel.« Sie ging weiter zu Carlos.
    »Du warst wunderbar, Leslie«, sagte Medora
leise. »Besser denn je.« Sie streckte die Hand aus, und Wetzon nahm sie.
Medoras Diamantohrringe fingen das Licht auf; ihr goldenes Armband schimmerte.
    Wetzon schauderte unwillkürlich. »Danke«, sagte
sie und fühlte sich eigenarti; Schweiß lief ihr den Nacken hinab und an der
Innenseite des Trikots hinunter. Sie eilte zur Garderobe. Geh weg, Medora,
dachte sie. Laß mich in Ruhe.
     
    Er hat eine Frau und zwei kleine Kinder...«
    «Verstehen Sie etwas von dem, was sie reden?«
    »Nein. Ich will nichts hören.«
    »Was machen Sie, Leslie?«
    »Ich lege mich zurück, ziehe die Decke über den
Kopf und halte mir die Ohren zu... Irgendwann schlafe ich ein.«
    »Was passiert am Morgen?«
    »Die Sonne scheint. So hell, daß sie mich
weckt.«
    »Ist noch jemand im Zimmer?«
    »Nein. Ich habe alles geträumt. Terri kommt in
ein Badetuch gehüllt aus der
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