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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang
Autoren: Annette Meyers
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schwarzen paillettenbesetzten, trägerlosen Schlauch. Über ihren
prachtvollen Schultern ein schwarzes Operncape aus Samt. So groß und elegant
war sie, daß Wetzon sich sofort wie das reizlose kleine Mädchen im falschen
Partykleid vorkam.
    Geh weg, Smith, dachte sie. Gerade jetzt kann
ich dich nicht brauchen. Sie sagte: »Was machst du hinter der Bühne? Nur noch
eine halbe Stunde, dann geht’s los.«
    »Meine Investition schützen, Schatz.« Smith
winkte dem Kameramann, und als er angeschlendert kam, schnurrte sie: »Sorgen
Sie dafür, daß Sie die Darsteller unmittelbar vor ihrem Auftritt reinkriegen.
Wir wollen sehen, wie eine Premiere auf die Nerven geht!«
    Carlos, der auf sie zukam, entdeckte Smith und
drehte sich um hundertachtzig Grad. Wetzon mußte lachen. »Bis dann, Smith«,
damit wollte sie hinter Carlos her.
    »Moment, Kleines. Ich habe vergessen, dir etwas
zu berichten.« Smith machte einen Schmollmund. »Du erkundigst dich gar nicht
mehr nach dem Büro.«
    »Verdammt.« Wetzon schob die Zunge in eine Backe
und klatschte mit der Hand auf den Oberschenkel. »Das ist mir vollkommen
entfallen.«
    »Jedenfalls habe ich eine interessante Neuigkeit
für dich, Miss Hält-sich-für-so-komisch.«
    »Und was gibt’s?«
    »Rosenkind Luwisher. Rate mal, wen sie als ihren
eigenen Headhunter eingestellt haben.«
    Wetzon sah ihre Partnerin an. Wußte sie
Bescheid?
    Ungeduldig sagte Smith: »Ich wußte, du rätst es
nie, nicht in einer Million Jahren. Harold. Sie haben Harold angeheuert.«
    Wetzon war schockiert. »Unseren Harold?« Das war
kaum ein Kompliment für Wetzon.
    »Na ja, unseren ehemaligen Harold.«
    »Sie haben Harold Alpert von Tom Keegen
weggeholt?« Wetzon begann zu lachen.
    Smith kicherte. »Ich wußte, es würde dir
gefallen.« Jetzt hatte ihre Aufmerksamkeit lange genug Wetzon gehört, so schien
es, denn sie sagte: »Oh, dort ist Joel. Bis nachher, Schatz. Hals- und
Beinbruch.«
    »Wir sagen jetzt merde, Smith.«
    »Oh«, meinte Smith heiter. »Okay, merde und Beinbruch, Goldstück.« Sie warf Wetzon einen Kuß zu und war weg.
    »Würde ich sie verlassen? Könnte ich sie je
verlassen?« sang Wetzon leise vor sich hin. »Ja. Will ich wirklich? Ha!«
    »Fünfzehn Minuten!« rief der Hilfsinspizient.
    Wetzon ging auf die Garderobe zu, um einen
letzten Blick auf ihr Make-up zu werfen, aber Mort war darin und hatte einen
seiner längst überfälligen Wutausbrüche.
    »Du bist überbezahlt«, knurrte Mort wütend und
fuchtelte mit dem Finger vor Nancys Gesicht herum. »Manny zahlt seiner
Assistentin halb soviel wie ich dir, und sie ist vierundzwanzig Stunden auf Abruf bereit.«
    Nancy stöhnte leise.
    »Komm mir nicht mit dem Scheiß, daß du auch ein
Leben hast! Solange du für mich arbeitest, hast du kein eigenes Leben. Wenn ich
mein Büro zumache, kannst du dich mitsamt der dummen Kuh am Telefon in die
Schlange vorm Arbeitsamt stellen. Du weißt gar nicht, wie gut du es hast!«
    Wetzon hörte Nancys ersticktes Schluchzen. Sie
klopfte an die Tür, obwohl sie schon einen Spalt offenstand. »Muß das sein,
Mort?« Das Zimmer sah aus, als wäre es demoliert worden, alle Kleider, Pakete
und Make-up-Etuis lagen in wildem Durcheinander herum. Eine feuchte
fleischfarbene Strumpfhose hing über einer Stuhllehne. »Ich habe nie gehört,
daß Nancy sich über irgendwas beklagt hat — nie. Und laß dir von mir sagen, daß
sie sich meiner Meinung nach über eine Menge beklagen könnte.«
    Mort trug einen Smoking mit grüner Samtfliege.
Nancy sah wie seine Zwillingsschwester aus. Warum nur waren sie genau gleich gekleidet,
sogar bis zur Farbe der Fliegen? Jemand mußte sich einen Spaß erlaubt haben.
    »Leiden wir noch immer an unserem Jeanne
d’Arc-Komplex, Leslie?« Mort lächelte affektiert.
    »Auf die Plätze!« schrie der Hilfsinspizient.
»Mort, wo steckst du?«
    Mort wirbelte herum und lief nach links Richtung
Bühne, wo er auftreten und das Publikum begrüßen würde. Er sollte die
verstorbenen Mitglieder des Ensembles ehren, deren vergrößerte Fotografien
bereits aufleuchteten. Danach konnte die Ouvertüre beginnen.
    Wetzon schlenderte zur Seitenkulisse, Bühne
links, und nahm ihren Platz bei den anderen ein. Mort beendete gerade seine
Rede. Es gab Applaus, und das Orchester intonierte die Ouvertüre. Die
Darsteller stellten sich gemäß der Einteilung auf, Bühne links und Bühne rechts,
bereit, zur Einleitungsnummer ihre Plätze an den Mikrophonen einzunehmen.
    Die Scheinwerfer waren verwirrend, als
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