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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote
Autoren: Michael Connelly
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hatte ihn einen Tag nach seinem Besuch geschrieben.
     
    Lieber Harry,
    wenn Du den Brief liest, waren meine Befürchtungen nicht grundlos, und Du hast die Wahrheit herausgefunden. Wenn Du dies liest, dann war die Entscheidung, die ich heute abend getroffen habe, die richtige, und ich bedauere nichts. Ich stelle mich lieber einem Urteil im Jenseits als Dir gegenüberzutreten, wenn Du alles weißt.
    Ich weiß, was ich Dir weggenommen habe. Ich habe es mein ganzes Leben gewußt. Es nützt nichts, es zu erklären oder zu sagen, daß es mir leid tut. Aber es erstaunt mich immer noch, wie sehr man sein Leben in einem kurzen Moment der Raserei für immer verändern kann. Ich wurde wütend, als Marjorie in jener Nacht voller Hoffnung und Glück zu mir kam. Sie wollte mich verlassen. Um mit Dir und ihm zu leben. Ein Leben, das uns nur im Traum möglich erschienen war.
    Neid ist nur ein Ausdruck des eigenen Versagens. Ich war neidisch und wütend und schlug ihr den Schädel ein. Danach legte ich eine falsche Spur mit dem Gürtel. Es tut mir leid, Harry. Ich habe Dir jegliche Chance in Deinem Leben genommen, indem ich Dir Deine Mutter nahm. Ich habe die Schuld mit mir herumgetragen, und ich nehme sie auch jetzt mit mir. Ich hätte vor langer Zeit für meine Sünde zahlen sollen, aber jemand redete es mir aus und half mir, meiner Strafe zu entgehen. Jetzt ist niemand mehr da, der mich von meinem Vorhaben abhalten könnte.
    Ich bitte Dich nicht um Vergebung, Harry. Damit würde ich Dich beleidigen. Wahrscheinlich will ich nur, daß Du weißt, daß ich es bereue, und daß manchmal Täter, die nicht gefaßt werden, nur scheinbar entkommen. Damals und heute. Good bye,
    Meredith
     
    Bosch las den Brief noch einmal und dachte dann lange darüber nach. Schließlich faltete er ihn wieder zusammen und steckte ihn zurück ins Kuvert. Er ging zum Kamin, steckte den Brief mit seinem Feuerzeug an und warf ihn auf den Feuerrost. Das Papier verbog sich und brannte, bis es als schwarze Rose aufblühte und erlosch.
    Er ging in die Küche, nahm den Telefonhörer mit einem Papiertaschentuch ab und wählte die Notrufnummer. Dann legte er den Hörer auf die Arbeitsfläche und hörte schwach, wie sich die Polizei von Santa Monica meldete. Eine Stimme wollte wissen, wer spreche und was der Grund des Anrufs sei.
    Er verschloß die Haustür nicht und wischte außen den Türknopf ab. Hinter ihm erklang eine Stimme.
    »Sie kann gut Briefe schreiben, nich?«
    Bosch drehte sich um. Vaughn saß auf der Rattan-Couch auf der Veranda. In der Hand hielt er eine neue Zweiundzwanziger. Anscheinend wieder eine Beretta. Es war nicht zu erkennen, daß er verletzt war. Er hatte weder blaue Augen wie Bosch noch eine vernähte Wunde.
    »Vaughn.«
    Etwas anderes fiel ihm nicht ein. Er konnte sich nicht vorstellen, wie er ihn gefunden hatte. War er so verwegen, daß er vor dem Parker Center gewartet hatte und Bosch von dort gefolgt war? Bosch schaute auf die Straße und fragte sich, wie lange es dauern würde, bis die Einsatzzentrale einen Streifenwagen zu der Adresse schickte, die der Computer ausspucken würde. Auch wenn er nichts gesagt hatte, würden sie irgendwann einen Wagen vorbeischicken, um nachzusehen. Er hatte angerufen, damit sie Meredith fänden. Falls sie sich Zeit ließen, würden sie ihn ebenfalls tot auffinden. Er mußte Vaughn so lang wie möglich hinhalten.
    »Ja, schöner Brief«, sagte der Mann mit der Pistole. »Aber sie hat was ausgelassen, nicht wahr?«
    »Was?«
    Vaughn schien ihn nicht zu hören.
    »Es ist komisch«, sagte er. »Ich wußte, daß deine Mutter einen Sohn hatte. Aber ich habe dich nie gesehen. Sie hat dich von mir ferngehalten. Wahrscheinlich war ich ihr nicht gut genug.«
    Bosch starrte ihn an, das Puzzle war so gut wie vollendet.
    »Johnny Fox.«
    »In Person.«
    »Ich verstehe nicht. Mittel …«
    »Mittel ließ mich umbringen? Nicht wirklich. Man könnte sagen, ich habe mich selbst umgebracht. Ich habe den Artikel heute in der Zeitung gelesen. Sie liegen mit den meisten Sachen falsch.«
    Bosch nickte. Er begriff jetzt.
    »Meredith hat deine Mutter umgebracht, Sohn. Tut mir leid. Ich habe ihr erst hinterher geholfen.«
    »Und dann haben Sie ihren Tod ausgenutzt, um Conklin unter Druck zu setzen.«
    Bosch brauchte keine Bestätigung von Fox. Er wollte nur Zeit gewinnen.
    »Ja, das war mein Plan. Funktionierte auch ganz gut. Ich kam aus der Gosse heraus. Allerdings merkte ich schnell, daß Mittel die Zügel in der Hand hielt. Ich
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