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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote
Autoren: Michael Connelly
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Person war. Von anderen, die man hierhergeschickt hatte, hatte er sogar Gutes über sie gehört. Sie tat nur ihre Arbeit hier, und seine Wut richtete sich nicht direkt gegen sie. Ihm war klar, daß sie wahrscheinlich intelligent genug war, auch das zu wissen.
    »Hören Sie, es tut mir leid«, sagte sie. »Ich hätte nicht mit so einer allgemeinen Frage beginnen sollen. Ich weiß, daß es für Sie ein emotionales Thema ist. Versuchen wir, noch einmal von vorne anzufangen. Übrigens können Sie rauchen, wenn Sie wollen.«
    »Steht das auch in der Akte?«
    »Nein, das steht nicht dort. Das ist auch nicht nötig. Man kann es Ihrer Hand ansehen – wie Sie sie zum Mund führen. Versuchen Sie aufzuhören?«
    »Nein. Aber wir befinden uns hier in städtischen Räumlichkeiten. Sie kennen die Vorschriften.«
    Es war eine lahme Entschuldigung. Er übertrat diese Verordnung tagtäglich auf dem Hollywood-Revier.
    »Diese Vorschrift gilt hier nicht. Ich möchte nicht, daß Sie das hier als Teil des Parker Centers oder der Stadtverwaltung ansehen. Das ist der Hauptgrund, warum diese Büros außerhalb liegen. Hier gibt es solche Vorschriften nicht.«
    »Ganz egal, wo wir sind. Sie arbeiten trotzdem für die Polizei.«
    »Versuchen Sie zu vergessen, daß Sie sich hier bei einer Polizeistelle befinden. Wenn Sie hier sind, versuchen Sie sich vorzustellen, daß Sie einen Freund besuchen. Um zu reden. Sie können hier alles sagen.«
    Er wußte jedoch, daß er sie nicht als Freund betrachten könnte. Nie. Es stand zuviel auf dem Spiel. Gleichwohl nickte er, um ihr eine Freude zu machen.
    »Das sieht nicht sehr überzeugend aus.«
    Er zuckte mit den Schultern, als wollte er sagen, daß er nicht mehr tun könne. Und das war die Wahrheit.
    »Übrigens, wenn Sie wollen, kann ich Sie hypnotisieren, um Sie von Ihrer Nikotinsucht zu heilen.«
    »Wenn ich aufhören wollte, könnte ich es auch. Man ist entweder Raucher oder nicht. Ich bin’s.«
    »Nun, manchmal ist Rauchen das offensichtlichste Symptom einer selbstzerstörerischen Persönlichkeit.«
    »Wie bitte? Bin ich beurlaubt, weil ich rauche? Geht es darum?«
    »Ich glaube, Sie wissen, worum es geht.«
    Er erinnerte sich an seine Entscheidung, so wenig wie möglich zu reden, und sagte nichts mehr.
    »Also, fahren wir fort«, sagte sie. »Sie sind … Augenblick mal … Dienstag eine Woche beurlaubt?«
    »Richtig.«
    »Was haben Sie seitdem mit Ihrer Zeit angefangen?«
    »Hauptsächlich habe ich FEMA-Formulare ausgefüllt.«
    »FEMA?«
    »Staatliche Katastrophenhilfe. Mein Haus steht auf der Abrißliste.«
    »Das Erdbeben war doch vor drei Monaten. Warum haben Sie so lange gewartet?«
    »Ich hatte zu tun. Ich habe gearbeitet.«
    »Ich verstehe. Waren Sie versichert?«
    »Sagen Sie nicht ›Ich verstehe‹. Sie sind überhaupt nicht in der Lage, Dinge so zu sehen wie ich. Die Antwort lautet nein, ich war nicht versichert. Wie die meisten Leute habe ich die Realität verdrängt. Würde man es in Ihren Fachkreisen so nennen? Ich wette, Sie waren versichert.«
    »Ja. Wie schwer wurde Ihr Haus beschädigt?«
    »Kommt drauf an, wen Sie fragen. Die Bauaufsicht behauptet, es sei Totalschaden und ich dürfte nicht einmal hinein. Meiner Ansicht nach ist es okay. Ein paar Sachen müssen gemacht werden. Im Baumarkt kennen Sie mich schon mit Namen. Für einige Arbeiten habe ich Handwerker angestellt. Bald ist alles fertig, und dann werde ich gegen den Abrißentscheid Einspruch einlegen. Ich habe einen Rechtsanwalt.«
    »Sie leben immer noch da?«
    Er nickte.
    »Das ist nun wirklich Verdrängung, Detective Bosch. Meiner Ansicht nach sollten Sie das nicht tun.«
    »Meiner Ansicht nach fällt es nicht in Ihren Verantwortungsbereich, was ich außerhalb meiner Arbeitszeit tue.«
    Sie hob ihre Arme, als wolle sie sich nicht einmischen.
    »Wenn ich es auch nicht gutheißen kann, so erfüllt es doch einen Zweck. Ich finde es gut, daß Sie eine Beschäftigung haben. Obwohl mir Sport, ein Hobby oder Reisepläne lieber wären. Ich glaube, es ist wichtig, daß Sie etwas tun, damit Sie nicht an den Vorfall denken.«
    Bosch schnitt eine Grimasse.
    »Was ist?«
    »Ich weiß nicht. Alle nennen es den Vorfall. Irgendwie erinnert mich das daran, wie die Leute vom Vietnamkonflikt sprachen statt vom Krieg. «
    »Wie würden Sie dann bezeichnen, was passiert ist?«
    »Ich weiß nicht. Aber Vorfall … hört sich so … ich weiß nicht … antiseptisch an. Hören Sie zu, Doktor. Spulen wir noch mal zurück. Ich habe keine
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