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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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kapitel 1
    P ablo! Paaablooo!« Die Stimme klang so durchdringend wie die schrillen Schreie der Möwen über dem Hafen von Sevilla.
    Der Junge duckte sich hinter den Schanktisch. Seine Stiefmutter hatte zweifellos Arbeit für ihn. Das hatte sie immer. Er hatte schon die Schankstube gefegt, die Tische gescheuert und die Weinkrüge ausgespült. Das langte.
    »Paaablooo!«
    Er schob sich zu dem Vorhang aus Holzperlenschnüren, der die Tür ersetzte, aber bevor er auf die Gasse entwischen konnte, stand seine Stiefmutter Ines Alvarez im Raum, eine große, kräftige Frau ganz in Schwarz, die dunklen Haare zum Knoten hochgesteckt, an den Schläfen schon ein paar graue Strähnen.
    »Wieso antwortest du nicht? Bist du immer noch nicht fertig hier? Du schläfst wohl im Stehen, was?« Sie feuerte eine Frage nach der anderen ab, ohne auf Antwort zu warten. »Hier, trag die Abfallkübel zur Stadtmauer! Aber trödele nicht wieder herum, sondern komm gleich zurück, hast du verstanden?«
    Pablo nickte nur und packte die Henkel der Eimer, die sie ihm hinhielt. Ihre Blicke liefen über die blanken Tische, den sauberen Boden, die tropfenden Krüge - und das Gesicht mit den groben, fast männlichen Zügen wurde sanfter. Sie griff in den Geldbeutel unter ihrer schwarzen Schürze und schob Pablo zwei Münzen in die Hosentasche.
    »Gute Arbeit! Du kannst, wenn du willst, das sag ich ja immer. Kauf dir ein paar gegrillte Sardinen am Strand. Denn du machst ja doch einen Umweg über den Hafen, wie ich dich kenne.«
    Pablo nickte wieder und grinste. »Danke!«
    Eigentlich verstand er sich gut mit seiner Stiefmutter. Sie hatte zwar ein Mundwerk wie ein Marktweib, aber sie arbeitete für zwei und hatte es sogar fertig gebracht, seinem Vater das Saufen zu verleiden. Seit sie im Haus war, ging es der kleinen Familie viel besser. An seine Mutter konnte sich Pablo kaum noch erinnern, er war erst fünf gewesen, als sie bei der Geburt seiner Schwester Maria gestorben war. Ines war so wie Pablos Vater verwitwet gewesen und hatte zwei kleine Töchter mit in die Ehe gebracht, aber die waren schon im Jahr darauf an den Blattern gestorben.
    Die Seuche hatte auch Pablos älteren Bruder José und die kleine Maria getötet, und Pablo selbst wäre bestimmt ebenfalls daran gestorben, wenn Miguel ihn nicht so unermüdlich gepflegt hätte, das sagte Ines immer wieder. Pablo hatte von der Krankheit viele kleine Narben am ganzen Körper und im Gesicht behalten, die sich hell von seiner braunen Haut abhoben. Miguel nannte ihn deshalb Kiebitz-Ei, aber weil dieser Spitzname von Miguel stammte, hatte Pablo nichts dagegen.
    Pablo liebte seinen großen Bruder. Eines Tages würde er zur See fahren, genauso wie er - auch wenn er deshalb Krach mit seinem Vater kriegen würde. Der wollte, dass sein zweiter Sohn die Schänke übernahm, aus der die Familie ihren Lebensunterhalt bezog.
    »Du bist der geborene Gastwirt«, behauptete er ständig. »Du kannst mit den Leuten umgehen. Man muss sie zum Reden bringen, da vergessen sie, wie viel sie schon getrunken haben. Und das kannst du.«
    »Jedenfalls wär er geeigneter als du - aber dazu gehört nicht viel.« Ines nahm nie ein Blatt vor den Mund. »Du bist immer noch dein bester Kunde, Juan. Du solltest dich mehr um die Gäste kümmern statt um deinen eigenen Durst. Und von Pablo hast du keine Ahnung. Wenn du glaubst, dass er dein Nachfolger werden will, dann hast du Knöpfe im Kopf statt Augen. Ihn interessieren doch nur die Seeleute.«
    »Du redest mal wieder Unsinn, Alte! Seit wann kommt es darauf an, was die Kinder wollen? Der Vater hat über seinen Nachwuchs zu bestimmen, das steht schon in der Bibel.«
    Dann zog Ines nur spöttisch die Augenbrauen hoch und sagte nichts mehr. Sie ging Auseinandersetzungen mit ihrem Ehemann möglichst aus dem Weg, denn Streit war schlecht fürs Geschäft. Sie war zufrieden, dass Juan nicht mehr täglich betrunken war und ihr weder im Haushalt noch in der Taverne dreinredete.
    Er hatte schnell gemerkt, dass sie von beidem mehr verstand als er, und drückte sich vor allem, was nach Arbeit aussah. Schließlich war Juan Alvarez fast ein Herr und hatte bessere Tage gesehen, nämlich als Verwalter in dem großen Warenmagazin vor der Stadt. Neidische Kollegen und finstere Ränke hatten ihn um diese angesehene Anstellung gebracht, wie er immer wieder erzählte, aber alle Eingeweihten wussten, dass es in Wahrheit der Rotwein gewesen war.
    Auch Pablo ergriff jeden Vorwand, um aus seinem Vaterhaus zu
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