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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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merk dir das.«
    Dieses Versprechen hatte Pablo förmlich beflügelt. Er hatte gelernt wie noch nie in seinem Leben und schon nach wenigen Monaten zu den besten Schülern in der Armenschule der Pfarrei San Pedro gehört.
    Miguel hatte Anfang März auf der Marigalante angeheuert, die Wein und Olivenöl und den berühmten Stockfisch von Sanlucar nach Antwerpen bringen sollte. Die Fahrt entlang der von Seeräubern heimgesuchten portugiesischen Küste, durch den stürmischen Golf von Biskaya und den nebligen Ärmelkanal war ihm zu gefährlich erschienen für seinen kleinen Bruder. Das Schiff sollte aber im Mai wieder zurück sein, und dann wollte Miguel auf einem Küstenfrachter anheuern, der nur bis zur Algarve fuhr, und Pablo mitnehmen. Jetzt war gerade April, aber trotzdem suchte der Junge jeden Tag die Reihe der Schiffe im Hafen ab, ob die Marigalante schon darunter war.
    Pablo stieg die Treppe an der Innenseite der Stadtmauer hoch und kippte seine Eimer über die Brüstung. Alle Einwohner von Sevilla entsorgten ihren Abfall auf diese Weise und eigentlich hätten sich am Fuß der mächtigen Mauer wahre Berge aufhäufen müssen. Doch sämtliche Hunde und Katzen der Stadt durchwühlten den Müll und zankten sich mit Raben, Krähen, Elstern, Möwen und Ratten um die besten Bissen. Oft kamen auch die Schweinehirten der Umgebung mit ihren Vierbeinern zu diesem Futterplatz. Die Reste schoben die Männer der Abfallgarde am Abend in den Guadalquivir, wo sich die Fische an ihnen mästeten. Nur im Hochsommer kehrten sie sie am Ufer zusammen, wenn der Fluss Niedrigwasser hatte, und dann hing der Gestank wie eine Wolke über der Stadt.
    »Bendita la hora en que Dios nacio
    Santa María que le pario
    San Juan que le bautizo 2 «, sang eine Stimme hinter Pablo. Eine sehr schöne Stimme, dunkel und weich.
    Pablo drehte sich um. Estrella kam die Treppe herauf, in jeder Hand einen Abfallkübel. Sie nickte ihm zu, ohne ihren Gesang zu unterbrechen:
    »La guarda es tomada
    La ampolleta muele
    Buen viaje haremos
    Si Dios quisiere 3 .«
    Sie singt das Lied, das alle christlichen Seeleute jeden Abend singen, ob auf dem Mittelmeer oder vor der Küste Afrikas oder vor den indischen Ländern, dachte Pablo. So ist das also! Ich wette, sie denkt dabei an Miguel.
    »Kannst du nicht meine Eimer mit zurücktragen, Estrella? Ich will nämlich zum Hafen. Vielleicht ist Miguel schon da. Ich sag dir dann auch gleich Bescheid.«
    Estrella hob ihre Kübel auf die Brüstung und ließ den Abfall hinunterplatschen. »Wieso glaubst du, dass ich das wissen will? Was geht mich dein Bruder an?« Aber sie errötete und lächelte, als ob sie ihre Worte nicht ganz ernst meinte. »Meinetwegen, gib die Eimer her. Aber stell sie ineinander, sonst sind sie zu sperrig.«
    »Danke, Estrella! Und lass sie einfach im Hof stehen, ja? Mutter braucht das nicht zu wissen.«
    Vergnügt schlenderte Pablo durch das Triana-Stadttor hinunter zum Hafen. Am gegenüberliegenden Ufer, in der Vorstadt Triana, reichten die Häuser bis ans Wasser, aber vor der Stadtmauer von Sevilla hatte der Guadalquivir einen 700 Meter langen und 30 Meter breiten Sandstrand aufgehäuft: El Arenal, vor dem sich die Schiffe drängten. Sie lagen Seite an Seite, mit dem Heck zum Fluss und dem Bug zum Strand, um nur ja so wenig Platz wie möglich einzunehmen, aufgereiht wie die Sardinen auf dem Rost der kleinen Garküche, vor dem Pablo jetzt stehen blieb.
    »Das ist überhaupt kein richtiger Hafen hier«, sagte Miguel immer. »Bloß ein Sandstrand mit einem einzigen Kran. Du müsstest mal den Hafen von Antwerpen sehen! Da gibt es sieben Piers aus Stein und drei Kräne und riesige Lagerhäuser und Trockendocks und...«
    »Hör doch auf! So was kann doch jeder bauen. Aber haben sie etwa auch Schiffe, die nach Indien fahren? Na bitte!« Pablo konnte es nicht leiden, wenn sein Bruder den Hafen ihrer Heimatstadt schlecht machte.
    Seitdem der Admiral Colón 4 vor zehn Jahren den Seeweg nach Indien 5 entdeckt hatte, war Sevilla der Heimathafen der indischen Flotte. Hier wurden die Seeleute für die Schiffe angeheuert; hier wurden Ausrüstung und Proviant für die wochenlange Seereise gekauft und alle Dinge, die in den Kolonien nötig waren; hier nahmen die Händler die Schätze aus Übersee in Empfang und verkauften sie nach ganz Europa; hier saßen die Bankiers und Kaufleute, die das alles finanzierten. In den letzten Jahren waren so viele Menschen nach Sevilla geströmt, dass mehrstöckige Mietshäuser gebaut
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