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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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vor die Brust. »Willst du dich hier als Beschützer aufspielen, du Gernegroß? Weißt du eigentlich, wie du aussiehst? Dir hat wohl ein Esel ins Gesicht geschissen?«
    »Andres! Andres!«, rief Pablo gellend. »Zu Hilfe! Deine Frau wird betrogen!«
    Aber er hätte sich das Schreien sparen können, denn man hatte den Wortwechsel an sämtlichen umliegenden Ständen verfolgt, und der Bordschütze sah sich nicht nur dem erbosten Andres, sondern einer ganzen Reihe von Männern gegenüber, die alle die Hand am Griff der Messer hatten, die in ihren Gürteln steckten.
    Auch der Bordschütze fasste nach seinem Messer. »Rodrigo! Alejo! Her zu mir!«, schrie er. »Diese dämlichen Fischer wollen Prügel kriegen.«
    Aber keiner seiner Kumpane kam ihm zu Hilfe. Die Fischer rückten schweigend näher. In der plötzlichen Stille hörte man durcheinander schreiende Männerstimmen - und dann einen einzelnen durchdringenden Ruf:
    »Die Söhne des Admirals der westlichen Meere wollt ihr sein? Dass ich nicht lache! Den Admiral der Moskitos sollte man ihn nennen!«
    Das Stimmengewirr verebbte. Stattdessen erklang im Chor: »Admiral der Moskitos! Admiral der Moskitos!«
    Die Menschen um den Austernstand reckten die Hälse. Nur die Zunächststehenden behielten noch den Bordschützen im Auge. Die anderen beobachteten die Menge, die durch die kleine Kohlenpforte in der Stadtmauer drängte. Von dort führte eine Gasse direkt in das königliche Schloss, den Alcázar . Pablo stellte sich auf einen umgestülpten Eimer, um über die Köpfe hinwegsehen zu können.
    Durch die Kohlenpforte strömte eine lange Reihe von Matrosen, mindestens fünfzig, schätzte Pablo, die meisten zerlumpt und abgemagert. Sie bildeten einen Kreis um zwei junge Männer, die beide in der Tracht der königlichen Pagen gekleidet waren. Jeder in Sevilla wusste, dass sich der König und die Königin in der Stadt aufhielten und der ganze Hofstaat mit ihnen, denn die Herolde hatten sie angekündigt, und außerdem wehten die königlichen Fahnen über dem Alcázar .
    »Admiral der Moskitos! Admiral der Moskitos!«, brüllten die Männer wieder.
    Der Bordschütze hatte inzwischen begriffen, dass er vergebens um Hilfe gerufen hatte. Er starrte Andres und seine Freunde noch einige Augenblicke lang mit wütendem Gesicht an, dann zog er ein paar Münzen aus der Tasche und warf sie mit verächtlicher Geste auf den Tisch. Bevor er sich davonmachte, musterte er Pablo, als ob er sich sein Gesicht genau einprägen wollte.
    »Pass bloß auf, dass du mir nicht vor die Fäuste gerätst, du Eselsschiss!«, knurrte er.
    Luisa Tommasina reichte Pablo die zweite Auster. »Das hast du gut gemacht, Kiebitz-Ei. Schau mal nach, warum die Kerls da so schreien, und erzähl’s uns, ja?«
    Pablo bedankte sich und lief hinter der schreienden Gruppe her, überholte sie seitlich und kletterte wieder auf seinen Stammplatz auf der Kranbrüstung. Von hier aus konnte er die beiden Pagen deutlich sehen. Was ihm als Erstes ins Auge sprang, war die ungewöhnliche Farbe ihrer kinnlangen Haare: bei dem Älteren ein dunkles Kastanienrot, bei dem Jüngeren ein leuchtendes Kupferblond. Beide waren sehr schmal, der Ältere hoch gewachsen, der Jüngere reichte ihm nur bis zur Schulter. Sie trugen wadenhohe schwarze Stiefel, schwarzseidene, kurze Pluderhosen über schwarz bestrumpften Beinen, Westen aus schwarzem Samt mit Goldstickereien, schwarze ärmellose Umhänge, aus denen die Ärmel der dunkelgrauen Seidenblusen schauten, und schwarze Kappen auf dem Kopf. Die goldenen Knopfreihen der Westen und die glänzenden Stoffe schimmerten in der Sonne.
    Die Sachen kosten bestimmt ein Vermögen, dachte Pablo. Aber sie sehen verflixt unbequem aus. In solchen Stiefeln durch den Sand zu stapfen, ist bestimmt nicht angenehm. Zufrieden rieb er seine bloßen verhornten Fußsohlen gegeneinander.
    »Seht ihr die Söhne des Vizekönigs 8 von Indien, die Söhne des Entdeckers?« Da war die durchdringende Stimme wieder. »Aber was hat er entdeckt? Soll ich es euch sagen? Nur die Länder der Eitelkeit und Illusion. Ein Taschenspieler ist er, der ein paar Inseln aus dem Hut gezaubert hat und von den Schätzen Indiens faselt, von Gold und Perlen und Gewürzen. Habt ihr Gold gesehen?«
    »Gesehen schon!«, schrie einer. »Aber keins in die Finger gekriegt. Alles hat der Admiral eingesackt.«
    »Also kein Gold?«, wiederholte der Wortführer.
    »Kein Gold!«, antworteten die Seeleute im Chor.
    »Habt ihr Perlen gesehen?«
    »Keine
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