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0576 - Der ewige Feind

0576 - Der ewige Feind

Titel: 0576 - Der ewige Feind
Autoren: Werner Kurt Giesa
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»Das wirst du bereuen!« stieß Noron hervor. »Du wirst vernichtet werden! Vergiß niemals, wer du bist - und wer ich bin!«
    Alan verzog das Gesicht zu einem spöttischen Grinsen.
    »Sicher nicht«, sagte er. »Aber vielleicht hast du es schon vergessen, mein König. Willst du nicht die Götter entscheiden lassen, wem sie sich zuwenden - dir oder mir?«
    Der Stadtkönig starrte den Schamanen finster an.
    Alans Hochmut gefiel ihm schon seit langem nicht. Aber es gab da ein Problem.
    Noron war ein uralter Mann. Er lebte schon viel länger als jeder andere Uruqui. Bald fünfmal so lange! Fünf Generationen hatten ihn immer wieder zu ihrem König gewählt. Schamanen kamen und gingen, aber der Stadtkönig lebte ewig! Seit damals, als…
    ...als einer von Alans Vorgängern Noron die Unsterblichkeit gewährte!
    Aber jeder der Schamanen konnte ihm diese Unsterblichkeit auch wieder nehmen!
    Das war einer der Gründe, aus denen Noron bislang noch nicht mit der Zauberer-Kaste aufgeräumt hatte. In den Fingern juckte es ihm schon seit ein paar Generationen. Manchmal träumte er davon, wie er Alan oder einem anderen jener arroganten Schmarotzer eigenhändig den Hals umdrehte…
    Aber immer wieder war er davor zurückgeschreckt. Weil er den Tod fürchtete.
    Wer die Möglichkeit hat, ewig zu leben, der fürchtet das Sterben umso mehr!
    Vor allem, wenn er an der Spitze der Machtpyramide steht!
    Am anderen Ende, in den Armenhäusern oder bei den Leibeigenen und Sklaven, hätte Noron sicherlich nicht unbedingt an seiner Unsterblichkeit festgehalten, nur um diese schlechten Lebensumstände eine Ewigkeit lang ertragen zu müssen. Dann wäre es ihm bestimmt leichter gefallen, auf ein ewig währendes Leben zu verzichten.
    Aber er war reich und mächtig.
    Fast…
    Nur die Schamanen waren noch mächtiger als der König. In Wirklichkeit waren sie es, die bestimmten, was geschah und was nicht. Sie hatten über mehr Generationen, als ein Uruqui zählen konnte, das Volk in ihrem Gespinst von Aberglauben und Götterfurcht, Prophezeiungen und Hexerei gefangen und gebunden gehalten.
    Seit langem schon wollte Noron Änderungen einführen, doch stets scheiterte, er am Widerstand der Schamanen, an deren Spitze jetzt Alan stand. Noron, Stadtkönig seit fünf Generationen, wollte die Sklaverei beenden, den Armen Land und Häuser geben und die Uruqui wieder das Lachen lehren.
    Einst, als er König wurde, lockte ihn die Macht über Leben und Tod. Als der oberste Schamane ihm die Unsterblichkeit gewährte, begann er, weit voraus zu planen. Das hohe Alter aber hatte ihn nachdenklich gemacht und - vielleicht auch ein bißchen weise.
    Er begann zu verstehen, was anderen Uruqui an Erkenntnissen in den wenigen Sommern ihres Lebens verwehrt blieb. Wie sollten sie auch zur Weisheit und zur Erkenntnis gelangen, wenn sie mit vier oder fünf Sommern schon hart auf den Feldern arbeiten mußten - oder zu Kriegern ausgebildet wurden, die den Reichtum der Stadt vor barbarischen Eroberern verteidigen mußten? Und die ausgesandt wurden, den Reichtum der Stadt zu mehren, indem sie ihn aus anderen Städten und Ländern raubten? Oder wenn sie zum Adel oder zur Handelskaste gehörten und daher zumeist ihren zwanzigsten Sommer nicht mehr erlebten, weil sie Intrigen und Morden zum Opfer fielen?
    Und falls sie diese Intrigen, die Schwerstarbeit oder die vielen Kriege überlebten, starben sie spätestens mit dreißig Sommern an Krankheiten.
    So wenig Zeit blieb ihnen… und kein Lachen.
    Nicht mal die Kinder lachten - aber auf einem Feldzug, als sie eine andere Stadt dem Erdboden gleichgemacht hatten, hatte Noron gehört, wie Kinder lachten. Und auch Erwachsene. Trotz des Todesschwertes, das über ihnen kreiste…
    Das aber war es, was die Uruqui nicht mehr konnten. Weil die Schamanen Leid, Not und Elend predigten und die Uruqui auf ein segensreiches und heilvolles Leben jenseits des Todes vertrösteten. Je schlechter es ihnen in diesem Leben erginge, desto glücklicher würden sie werden, wenn sie das Tor des Todes durchschritten…
    Daher forderten die Schamanen die Selbsterniedrigung, die Kasteiung, die bedingungslose Hingabe und Unterwerfung. So mancher Uruqui mochte tatsächlich glücklich sein, wenn er diesem unmenschlichen Leben durch den Tod entfliehen konnte…
    Das alles wollte Noron ändern, schon seit geraumer Zeit. Seit mindestens zehn Sommern.
    Aber die Schamanen ließen es nicht zu. Es hätte das Ende ihrer Macht bedeutet. Lachen tötet die Furcht.
    Auch der
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