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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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ihrer Empörung wagten die Männer nicht, den beiden den Weg zu verstellen, sondern wichen vor ihnen zurück. Die Pagen blickten starr geradeaus, ihre Gesichter waren sehr bleich und sie hatten die Lippen zusammengepresst.
    Als der Schrei: »Mörder!« ertönte, schossen dem Jüngeren die Tränen in die Augen. Seine Hand fuhr an den kleinen Degen, der in einer verzierten Scheide an seinem Gürtel hing. Der Ältere legte ihm den Arm um die Schultern, um ihn zurückzuhalten, aber der Blonde schüttelte ihn ab und war mit zwei Sprüngen vor dem Mann, der ihm am nächsten stand: ein langer Dürrer mit zerfurchtem Gesicht und zotteligen grauen Haaren. Der Blonde zog langsam den Degen aus der Scheide. Die Seeleute verstummten. Eine erwartungsvolle Stille breitete sich aus.
    »Hast du ›Mörder‹ gerufen?« Die Stimme des Jungen klang hell und kindlich. »Dann sag das noch mal, wenn du dich traust.«
    Er ist wahrscheinlich doch jünger als ich, überlegte Pablo, der schon im Stimmbruch war.
    Der Zottelhaarige grinste bloß, wobei ein paar braune Zahnstummel zum Vorschein kamen. In seiner Rechten blitzte auf einmal ein Messer.
    »Bist wohl jähzornig, was?«, nuschelte er. »Wie dein Alter.«
    »Fernan! Hör auf!« Der Ältere sprach so, als ob er daran gewöhnt wäre, dass der Jüngere ihm gehorchte. »Ein Page der Königin schlägt sich nicht mit dem Abschaum des Hafens!«
    »Was fällt dir ein, du geschniegelter Laffe?« Martin Bermejo machte einen Schritt nach vorn. »Abschaum des Hafens? Wir sind ehrliche Seeleute! Und wenn uns dein Vater nicht um unseren letzten Peso gebracht hätte, dann könnten wir auch in Samt und Seide herumlaufen so wie du.«
    Der Ältere würdigte ihn keiner Antwort, sondern blickte hochmütig an ihm vorbei und zuckte bloß mit den Schultern, als ob ihn eine Schmeißfliege belästigen würde.
    Martin Bermejos Gesicht lief rot an. »Du willst wohl den Hidalgo 14 spielen, du... du Geck, du! Das hast du sicher deinem Alten abgeschaut, was? Der stolziert auch so arrogant herum wie ein Herzog aus uraltem Adel. Aber ist er von Adel? Hat er auch nur den kleinsten Tropfen edlen Bluts in sich? Wahrscheinlich nicht einen! Denn wenn er ihn hätte, er hätte es längst ausposaunt.« Seine Stimme triefte vor Hohn. »Du nennst uns Abschaum, aber war seine Familie besser als unsere? Das weiß kein Mensch. Ja, schau mich nur an, als ob du mich erdolchen möchtest! Ein jämmerlicher Habenichts aus Genua war er, mit verrückten Plänen, verlacht und verspottet. Und heute nennt er sich Vizekönig von Indien. Und Admiral des Ozeans. Aber warte nur, bis ihn die Inquisition in die Fänge kriegt! Die Genuesen sind doch alle jüdisch versippt, denn sonst könnten sie nicht so gut mit Geld umgehen, das weiß jeder. Wir haben vor zehn Jahren alle Juden aus dem Land gejagt. Und wer jüdische Vorfahren hat und sich verdächtig macht, der brennt auf dem Scheiterhaufen.«
    Das war eine tödliche Beleidigung. Jetzt riss auch der Rothaarige seinen Degen aus der Scheide.
    Fünfzig gegen zwei, das kann nicht gut gehen, dachte Pablo - und weiter dachte er nicht, denn er hatte schon drei Finger im Mund und stieß einen Pfiff aus, den man bis an beide Enden von El Arenal hören konnte. Um diese Kunst beneidete ihn sogar Miguel. »Falls du eines Tages doch noch Obermaat werden solltest, dann brauchst du jedenfalls keine Pfeife 15 , Kiebitz-Ei«, sagte er oft.
    Die Männer am Fuß des Krans legten die Köpfe in den Nacken und blickten zu dem Jungen hinauf.
    »Die Stadtgarde marschiert durch das Arenal-Tor«, schrie Pablo.
    Die Seeleute sahen sich erschrocken an. Dieses Stadttor lag nicht weit vom Kran entfernt; wenn man sich beeilte, konnte man die Strecke in wenigen Minuten zurücklegen.
    Pablo kauerte sich hinter die Brüstung, sodass er von unten nicht mehr zu sehen war. Mit den Fersen hämmerte er gegen das hölzerne Laufrad des Krans, gleichzeitig pfiff er aus Leibeskräften einen Marsch. Es hörte sich an, als ob die Soldaten mit Pfeifen und Trommeln näher kämen.
    Pablos Gedanken wirbelten im Takt der Melodie. Der Admiral stand zwar nicht mehr so hoch in der Gunst der Könige wie früher und hatte am Hof viele Neider und Feinde, das wussten in Sevilla selbst die Kinder. Vor zwei Jahren war er sogar in Ketten von Española nach Spanien zurückgebracht worden, zusammen mit seinen jüngeren Brüdern Bartolomé und Diego. Pablo konnte sich noch gut daran erinnern, wie die drei durch die Straßen geführt worden waren, die
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