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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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sahen entsprechend wohl genährt und zufrieden aus. Doch Pablo stromerte durch die Gassen, Hinterhöfe und Spelunken Sevillas, seit er laufen konnte, und hatte sich dabei eine erstaunliche Menschenkenntnis erworben. Deshalb sah er beim zweiten Blick, dass der Herr einen Zug um den Mund hatte, der ihn an Miguel während einer Strafpredigt erinnerte, und einen durchdringenden Blick, als ob er ans Befehlen und vor allem an Gehorsam gewöhnt sei. Die Adlernase ließ ihn herrisch wirken. Das war kein Kaplan.
    »Bin ich nicht ein Schwachkopf? Das sieht mir ähnlich. Aber wenn ich Ausländer sehe, vergesse ich alles andere.« Der Fremde lachte, fischte ein paar Münzen aus der Tasche und sah auf einmal gar nicht mehr herrisch aus. »Vielen Dank, Junge! Um die Kappe hätte es mir Leid getan.«
    Er setzte sie auf und wandte sich wieder den beiden Sklaven zu.
    Pablo betrachtete die Münzen und schnaufte überrascht. Ob die Kappe wirklich so wertvoll war? Oder war der Herr einfach sehr großzügig? Jedenfalls konnte man jetzt nicht einfach weggehen, für so viel Geld musste man sich richtig bedanken. Er wartete in einigem Abstand, bis die drei ihre Unterhaltung beendet hatten, aber er hatte kaum ein paar Worte gesprochen, als der Herr ihn unterbrach.
    »Schon gut, Junge, nichts zu danken. Ich hab heute meinen spendablen Tag.« Er lachte wieder. »Darf ich dich auf einen Schluck einladen? Da drüben steht ein Weinverkäufer.«
    »Mich? Ich... oh ja! Gerne!«
    Gab es das also doch: ein vornehmer Herr, der freundlich war? Er gefiel Pablo immer besser. Wie hatte er bloß an den Priester von Santa Catalina denken können, der meistens nur abwesend nickte, wenn man ihn grüßte, oder bestenfalls eine Antwort murmelte? Vielleicht wegen der Adlernase? Oder wegen der schräg geschnittenen dunklen Augen? Oder weil er so breit war?
    Sie legten den Kopf in den Nacken, als sie vor dem Verkäufer standen, erst der Herr, dann Pablo. Der Mann hob den Schlauch und ließ ihnen geschickt den Wein in den offenen Mund spritzen. Der Herr zahlte und sie gingen zusammen weiter.
    »Wie heißt du?«
    »Pablo Alvarez.«
    »Du hast mich beobachtet, Pablo, nicht wahr?«
    Der Junge nickte überrascht. Wieso hatte der Herr das gemerkt? Er hatte doch gar nicht in seine Richtung geschaut.
    »Und du hast dir mein Verhalten nicht erklären können, stimmt’s?«
    Pablo nickte wieder.
    »Ich liebe Sprachen, musst du wissen. Und ich übe meine Zunge, wo ich nur kann. Wenn jeder mich für seinen Landsmann hält, dann bin ich zufrieden.«
    Pablo merkte auf einmal, dass der Herr mit ihm in dem weichen Singsang sprach, der typisch für den Dialekt von Sevilla war. »Ja - aber - die Schwarzen?«
    »Bei denen kann ich natürlich nicht den Landsmann spielen, da hast du Recht. Dafür spreche ich auch noch lange nicht gut genug. Aber ich mache Fortschritte. Sieh mal, da drüben gibt es gegrillte Hähnchenteile. Magst du ein Stück?«
    Pablo zögerte. Geflügel war teuer, genau wie Fleisch und Edelfisch. »Meine Mutter sagt immer, das ist nichts für arme Leute.«
    »Ab und zu muss man sich auch mal etwas leisten. Komm, wir holen uns einen Schenkel. Heute früh hab ich nämlich meine Pferde verkauft und angeheuert und jetzt hab ich die Taschen voller Geld.«
    Angeheuert? Also ein Seemann? Pablo betrachtete ihn verblüfft. Er hatte sich eingebildet, dass er jeden Matrosen sofort erkennen würde. Aber ein einfacher Seemann war das nicht, dafür hätte Pablo alle Münzen der Welt verwettet.
    »Angeheuert?«, wiederholte er fragend.
    »Als Escudero 18 und Dolmetscher auf der Capitana. Kennst du die?«
    Pablos Verblüffung wuchs. Die Capitana war seit Wochen Stadtgespräch, samt ihren Schwestern Gallega, Santiago de Palos und Vizcaina, denn mit diesen vier Schiffen wollte der Admiral Colón eine neue Entdeckungsfahrt unternehmen.
    Lange hatte fast niemand mehr daran geglaubt, dass die Majestäten ihm eine vierte Reise finanzieren würden. Vor wenigen Wochen erst war Nicolas de Ovando mit 30 Schiffen und 2500 Menschen nach Española aufgebrochen, der Insel, die Columbus entdeckt und über die er geherrscht hatte - und von der man ihn vor zwei Jahren in Ketten zurückgebracht hatte. Ovando, nicht Columbus, war der Befehlshaber dieser riesigen Flotte und Ovando sollte auch als Vertreter der Könige in Santo Domingo auf Española residieren.
    »Mit dem Admiral wollt Ihr fahren? Aber er hat bloß vier jämmerliche Karavellen. Die Flotte von Gouverneur Ovando hättet Ihr sehen
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