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Die schoene Tote im alten Schlachthof

Die schoene Tote im alten Schlachthof

Titel: Die schoene Tote im alten Schlachthof
Autoren: Sabine Schneider , Stephan Brakensiek
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Prolog
    Es würde eine kalte und eisige Nacht werden. Gut, dass
sich der Reißverschluss der Regenjacke bis ganz unters Kinn zuziehen ließ. Zum
ersten Mal seit Tagen war es windstill. Kaum ein Laut war zu vernehmen,
lediglich das Rauschen des Verkehrs auf der Kölner Straße und dem Krahnenufer
auf der anderen Seite des Flusses. Den ganzen Tag über hatte es geregnet, nun
aber war es trocken, und die Wolkenfetzen, die über den Himmel trieben, gaben
immer wieder den Blick auf den Vollmond und vereinzelte Sterne frei. Das karge
Mondlicht, das durch die Wipfel der mittlerweile fast blätterlosen Bäume fiel,
reichte gerade aus, um den Radweg, der parallel zur Mosel verlief, zu
beleuchten.
    Gott sei Dank, dass um diese Zeit keine fahrradfahrenden Touristen
mehr unterwegs waren. Sie hätten ein angenehmes Laufen an der Mosel deutlich
erschwert. Es war nicht mehr weit, bald würde das Ziel der Träume erreicht
sein. Eine innere, kaum gekannte Erregung machte sich bemerkbar.
    Nach dem Ende des Fahrradwegs ging es am Hotel Römerbrücke zur
Aachener Straße hinauf und danach die Eurener Straße entlang Richtung Süden,
bis nach knapp zehn Minuten das Ziel des abendlichen Fußwegs in Sicht kam.
    Der Schlüssel zur Wohnung war in der Außentasche der Regenjacke.
Nicht mehr lange, und sie würden sich endlich wiedersehen, nach langer Zeit
wären sie dann wieder einmal ganz für sich. Liebkosungen und innige Umarmungen
wurden sehnsüchtig erwartet. Hier, in dieser Umgebung, konnte man sich sicher
und geborgen fühlen.
    Vor dem alten Haus angelangt, war Licht durch die Vorhänge zu sehen,
die die Fenster der Wohnung von innen vor neugierigen Blicken abschotteten.
Alles schien vorbereitet. Das Treffen war ja seit Langem geplant.
    Von außen machte das Gebäude einen mehr als heruntergewirtschafteten
Eindruck; die Haustür hing nur noch schief in den Angeln. Drinnen verhielt es
sich kaum besser, im Treppenhaus platzte an vielen Stellen bereits der Putz von
den Wänden. Trotz der alten, ausgetretenen Holztreppe, die man kaum lautlos
erklimmen konnte, glückte es, unbemerkt in den ersten Stock, in dem sich die
Wohnung befand, zu gelangen. Es sollte eine Überraschung werden, deshalb war es
erst sieben und nicht – wie ursprünglich vereinbart – neun Uhr. Die
Wohnungstür war wie immer nicht verschlossen; das Schloss war kaputt, und
anscheinend fühlte sich niemand für die Reparatur zuständig. Aber etwas lag in
der Luft. Etwas stimmte nicht. Im Flur lag Kleidung auf dem Boden, darunter ein
Paar Stiefel und zwei schwarze Nylonstrümpfe, und aus dem Schlafzimmer drangen
Geräusche. Zwei Stimmen, die einer Frau und die eines Mannes, waren zu hören.
Beide waren bekannt. Die männliche Stimme gehörte dem, um den die Gedanken des
Besuchs bis eben inniglich gekreist waren. Er war der Geliebte, und er liebte
zurück, zumindest hatte er das bisher immer signalisiert. Die weibliche Stimme
gehörte einer ebenfalls geliebten Person.
    Bis zum Schlafzimmer war es nicht weit, nur vier Schritte, leise ausgeführt,
schließlich sollte keiner von ihnen etwas bemerken. Die ebenfalls ramponierte
Zimmertür war nur angelehnt, sodass durch den Spalt ein Blick ins Innere
möglich war. Und dann: Die Atmung schien zu versagen, der Magen krampfte sich
zusammen, das Herz schlug bis zum Hals. So etwas war nicht zu erwarten gewesen.
Die Frau kniete rücklings nackt auf dem Bett. Hinter ihr stand der Mann und
drang mit rhythmischen Bewegungen in sie ein. Der Frau entfuhr dabei jedes Mal
ein ekstatisches Stöhnen.
    Ruhig, atme ruhig ein und aus. Keiner darf dich
entdecken. Nicht jetzt. Diese widerlichen Schweine.
    Als der erste Schock vorbei war und die Aufregung sich ein wenig
gelegt hatte, war das Schauspiel, diese unwirklich erscheinende Szene, durch
den Türspalt noch immer deutlich zu sehen. Es war also tatsächlich kein
schlechter Traum – diese Hoffnung verflüchtigte sich, stellte sich als
trügerisch heraus, wie leider schon so oft. Nein, es war die bittere Realität.
Die ersten Tränen stellten sich ein. Nur schnell raus hier.
Du musst hier raus. Bloß schnell weg.
    Wieder vier große und leise Schritte zurück zur Wohnungstür. Immer
noch flossen Tränen. Und in dem Augenblick, in dem sich die Wohnungstür hinter
dem Besuch schloss, reifte ein Plan heran. Sie würden büßen müssen, beide.

EINS
    »Ist das Kunst, oder kann das weg?«
    Jeden Freitagabend, wenn Rudolph Ferschweiler auf dem Weg zu seiner
Stammkneipe »Zum Standhaften
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