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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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verschwinden. Es war ein hohes, schmales Gebäude in einem der ärmsten Viertel von Sevilla. Seine Mauern schienen durchtränkt zu sein vom Weindunst und vom Modergeruch des Kellerraums, dessen Tür immer offen stand, damit die Gäste hinabsteigen konnten, wenn in der Wirtsstube kein Platz mehr war. Deshalb hieß die Taverne auch schlicht Celler 1 . Im ersten und zweiten Stock des Celler hatte Ines Alvarez ein paar Gästezimmer eingerichtet, die so eng und karg waren wie Klosterzellen - und genauso sauber. Die Eltern und Pablo schliefen in zwei winzigen Kämmerchen unterm Dach, aber während der unerträglichen Hitze des langen andalusischen Sommers zog der Junge auf das Schuppendach im winzigen Hinterhof um, wo zwei kümmerliche Weinstöcke mit einigen Hühnern und triefenden Wäschestücken um einen Platz an der Sonne kämpften.
    Pablo schwenkte vergnügt die Abfalleimer. Heute hatte er keinen Vorwand suchen müssen, um aus dem Haus zu kommen. Seine Stiefmutter hatte ihm tatsächlich erlaubt, zum Hafen zu gehen, zumindest hatte sie es nicht verboten. Pablo liebte den Hafen - und die Schiffe noch mehr. Im letzten Frühjahr war er von zu Hause ausgerissen und mit einem Lastkahn den Guadalquivir hinauf bis nach Cordoba und wieder zurückgeschippert. Der Schiffer war so zufrieden mit ihm gewesen, dass er den Jungen einem Kollegen empfohlen hatte. Und so hatte Pablo zum ersten Mal Seeluft geschnuppert, denn diese Fahrt war den Guadalquivir hinunter bis zur Mündung und dann noch weiter bis nach Cadiz gegangen und dann immer noch weiter an der Costa de los Vinos entlang bis zum Kap Trafalgar.
    Als er nach einigen Wochen wieder aufgetaucht war, hatte der Vater ihn grün und blau geschlagen. Und von Miguel hatte er ebenfalls eine schwere Tracht Prügel bezogen, als der im Herbst nach Hause kam und von den Eskapaden seines Bruders erfuhr.
    »Aber ich hab ihnen einen Zettel dagelassen, dass sie sich keine Sorgen machen müssen! Und ich hab Estrella gebeten, dass sie ihnen hilft, solange ich weg bin. Und das hat sie auch getan.« Estrella war die hübsche Älteste aus dem Nachbarhaus, die eine Schwäche für Miguel hatte. Und er für sie - das wusste Pablo. »Sie war sogar viel besser als ich, hat Mutter gesagt, und falls ich noch mal verschwinde, wird sie Estrella wieder fragen, ob sie ihr hilft, denn so ein volles Haus haben wir lange nicht mehr gehabt.«
    »Darum geht es doch gar nicht! Du hast die Schule geschwänzt! Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass man auf einem Schiff nur etwas werden kann, wenn man eine gewisse Bildung hat?«
    »Mindestens hundertmal.«
    »Werde bloß nicht frech, du Milchbart! Denkst du, ich hab Lust, dir gute Ratschläge zu geben, wenn du dich dann an nichts, aber auch gar nichts davon hältst?« Miguel hatte Pablo bei den Oberarmen gepackt und ihn geschüttelt. »Also jetzt zum letzten Mal: Wenn du schon zur Schule gehen darfst, dann lerne gefälligst ordentlich. Ohne Lesen, Schreiben und Rechnen bleibst du dein Leben lang ein einfacher Seemann. Das heißt, du schuftest wie ein Esel für einen Hungerlohn, und jeder Offizier kann dich herumkommandieren, wie es ihm passt. Was glaubst du, wo ich heute stände, wenn ich geschwänzt hätte? Ich bin jetzt schon Maat und auf der nächsten Fahrt kann ich vielleicht schon als Obermaat anheuern und eines Tages werde ich Pilot sein, darauf kannst du dich verlassen.«
    Miguel konnte mit der bloßen Faust einen Stier zu Boden schlagen. Pablo war sich vorgekommen wie in einem Schraubstock. »Du zerquetschst mir die Arme! Auweh! Lass mich endlich los! Ich hab’s ja begriffen.«
    »Du bist ein Holzkopf! Nichts begreifst du! Kannst du dir vorstellen, dass ich noch mal in die Schule gehen werde?«
    Pablo hatte sich die bloßen Arme gerieben. Die Abdrücke von Miguels Fingern waren deutlich zu erkennen gewesen. »Du? Wieso? Du bist doch erwachsen.«
    »Die Handelskammer von Sevilla veranstaltet Kurse für künftige Piloten. Da lernt man, wie man Seekarten liest und sogar zeichnet und wo die Sterne stehen und wohin sie wandern und wie man mit Astrolabium und Deklinationstabellen arbeitet und...«
    »Astro… - was? Und was für Tabellen?«
    »Hat keinen Zweck, das einem Schuleschwänzer zu erklären. Das verstehst du ja doch nicht.«
    »Na gut, ich schwänze nicht mehr. Nie mehr. Ich versprech’s dir!« Pablo hatte die Hand ausgestreckt. »Ehrenwort.«
    »Abgemacht. Dann kann ich dich vielleicht im nächsten Frühjahr mitnehmen. Aber nur auf eine kleine Fahrt,
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