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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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die Sardine in den Mund und wieselte davon. Nach wenigen Minuten stand er wieder am Sockel des Krans.
    »Komm, es lohnt sich. Er kriegt hundert Schläge!«, rief er hinauf. »Das überlebt fast keiner. Die meisten verbluten schon bei achtzig.«
    Pablo rutschte von der Brüstung und trabte hinter Sancho her, aber schon nach ein paar dutzend Schritten ließ ihn eine Männerstimme innehalten.
    »Du alte Schlampe! Bildest du dir ein, dass du mir Abfall andrehen kannst?«
    Der Mann schrie eine Austernverkäuferin an, und zwar so laut, dass die Menschen an den Nachbarständen verstummten. Pablo schlängelte sich näher an den Verkaufstisch mit dem ausgeblichenen Sonnensegel heran. Er gehörte seinen alten Bekannten Andres de Morena und Luisa Tommasina. Die beiden hatten seit Jahren ihren Austernstand an dieser Stelle und Pablo hatte schon viele Botengänge für sie gemacht und manche Auster dafür bekommen. Luisa Tommasina konnte schimpfen, dass Pablos Stiefmutter wie eine Klosterschwester dagegen wirkte. Pablo grinste voller Vorfreude. Dem Mann würde es bald Leid tun, dass er so unverschämt gewesen war.
    »Señor, ich bin eine ehrbare, verheiratete Frau!«, erwiderte Luisa Tommasina leise und würdevoll. »Auf so etwas antworte ich nicht.«
    Pablo traute seinen Ohren nicht und schob sich neben den Stand. Ob heute etwa eine andere Frau die Austern verkaufte? Aber nein, das war unverkennbar Luisa Tommasina mit der Warze am Kinn und dem Schnurrbartflaum auf der Oberlippe.
    Er wandte sich an die Sardinenverkäuferin vom Nachbarstand. »Was ist los mit ihr? Ist sie krank?«
    Die schüttelte den Kopf. »Der Herr Pfarrer hat ihr ins Gewissen geredet. Sie verscherzt sich die ewige Seligkeit, wenn sie im Zorn böse Worte ausspricht, hat er gesagt. Sie hat ein Gelübde getan, dass sie sich mäßigen will.«
    Der Mann schien sich durch die vornehme Antwort ermutigt zu fühlen, weiterzuschreien. »Glaub bloß nicht, dass ich dir diesen Mist bezahle, du Betrügerin! Keinen Peso kriegst du von mir, dass du’s nur weißt. Am liebsten würde ich dir das faule Zeug ins Gesicht schmeißen!«
    Pablo sah, wie Luisa Tommasinas Lippen zuckten und sich öffneten. Aber wenn sie ein Gelübde getan hatte, dann würde sie eine schwere Sünde begehen, wenn sie es brach!
    »Was fällt Euch ein? Wie könnt Ihr in diesem Ton reden?« Pablos schrille Stimme klang so durchdringend wie ein Nebelhorn. Jetzt hoben auch die Händler an den weiter entfernten Ständen die Köpfe. Pablo genoss die allgemeine Aufmerksamkeit. »Wollt Ihr beweisen, dass Ihr in den Hurenhäusern verkehrt? Das interessiert hier keinen Menschen, da könnt Ihr sicher sein. Es ist eine Unverschämtheit, diese Dame so zu beschimpfen. Das wird Euch der ganze Malbaratillo 7 bestätigen.«
    Von den Marktständen kamen beifällige Rufe.
    Der Mann drehte sich wütend zu Pablo um. Er trug die Uniform eines Bordschützen. Diese Seeleute fühlten sich den einfachen Matrosen überlegen und beanspruchten überall Vorrechte. »Misch dich nicht ein, du Großmaul! Willst du mir etwa weismachen, dass ich eine frische Auster nicht von einer verdorbenen unterscheiden kann?«
    »Diese Dame ist bekannt für die unerreichte Qualität ihrer Ware.« Pablo kannte die Anpreisungen der Marktschreier auswendig und wiederholte sie in gleicher Lautstärke. »An ihrem Stand gibt es die besten Austern von Sevilla, das weiß jeder.«
    »So ist es!«
    »Recht hat er!«
    »Das stimmt!«, schrien die Nachbarn.
    Luisa Tommasina nickte geschmeichelt und griff nach einem Austernmesser. Sie öffnete geschickt eine Schale und reichte sie dem Jungen. Pablo schlürfte die Auster und verdrehte die Augen vor Entzücken.
    »Köstlich! Sie schmeckt nach Meer - und nach mehr!«
    Luisa Tommasina lächelte und nahm eine zweite Auster.
    »Halt endlich die Klappe, du Rotzlöffel! Wenn du Geld willst, Frau, dann kannst du lange warten, denn ich verschwinde jetzt.«
    »Und warum habt Ihr die Austern gegessen, wenn sie nicht frisch waren, Ihr... Ihr...?« Der Händlerin gelang es gerade noch, ein Schimpfwort zu unterdrücken.
    »Ich hab sie nicht alle gegessen. Da hast du den Rest!« Der Bordschütze öffnete das Sacktuch, in das er die Austern gewickelt hatte, und ließ eine auf den Verkaufstisch fallen.
    »Eine? Von sechsen?«, rief Luisa Tommasina empört.
    »Die fünf waren schlecht und du kriegst eher vom Teufel einen Peso als von mir!«
    »Das ist Zechprellerei!« Pablo stellte sich dem Mann in den Weg.
    Der gab ihm einen Stoß
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