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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote
Autoren: Michael Connelly
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sie Linien auf dem Papier. Ist die Karte im Kuvert geblieben?«
    »Ja, fünf Jahre lang. Bis letzte Woche.«
    »Das hilft.«
    Hirsch nahm Bosch die Karte vorsichtig ab und ging zu einem Arbeitstisch, wo er sie öffnete und auf einem Klemmbrett befestigte.
    »Ich werde es auf der Innenseite versuchen. Da ist es immer besser. Die Chance ist geringer, daß Sie die Karte dort angefaßt haben. Aber beim Schreiben berührt man sie immer. Ist es schlimm, wenn die Karte etwas schmutzig wird?«
    »Tun Sie, was nötig ist.«
    Hirsch studierte die Karte unter einem Vergrößerungsglas und blies dann sacht über die Oberfläche. Er griff zu einem Regal mit Spraydosen über dem Arbeitstisch und nahm eine mit dem Etikett NINHYDRIN. Er sprühte einen feinen Nebel auf die Karte, und nach ein paar Minuten begann sie sich an den Rändern violett zu färben. Dann kristallisierten sich Formen und Linien heraus – die Fingerabdrücke.
    »Ich muß das noch etwas schärfer herausholen«, sagte Hirsch , mehr zu sich als zu Bosch.
    Hirsch schaute auf und suchte das Regal ab, bis er das Reagenzmittel gefunden hatte, das er brauchte. Eine Sprühdose mit der Aufschrift ZINKCHLORID.
    »Jetzt kommen die Regenwolken.«
    Die Abdrücke färbten sich dunkler – wie Gewitterwolken. Als nächstes nahm Hirsch eine Dose mit der Aufschrift ENTWICKLER. Die Abdrücke färbten sich anthrazitgrau und wurden markanter. Hirsch betrachtete sie wieder unter dem Vergrößerungsglas.
    »Ich glaube, sie sind gut genug. Wir werden das Lasergerät nicht brauchen. Sehen Sie sich das hier an, Detective.«
    Hirsch deutete auf einen Abdruck, der anscheinend von einem Daumen stammte und sich links von Meredith Romans Unterschrift befand, sowie auf zwei kleinere Abdrücke von Fingern.
    »Die sehen so aus, als hätte sie derjenige hinterlassen, der die Karte beim Schreiben festhielt. Ist es möglich, daß sie von Ihnen sind?«
    Hirsch hielt seine Finger drei Zentimeter über dem Papier, um es zu demonstrieren. Bosch schüttelte den Kopf.
    »Ich habe sie nur geöffnet und gelesen. Ich glaube, das sind die Abdrücke, die wir suchen.«
    »Okay. Was nun?«
    Bosch ging zu seiner Tasche und holte die Karten heraus, die Hirsch ihm zuvor gegeben hatte. Er fand die Karte mit den Fingerabdrücken vom Muschelgürtel.
    »Hier«, sagte er. »Vergleichen Sie die bitte mit denen von der Weihnachtskarte.«
    »Wird gemacht.«
    Bosch versuchte sich vorzustellen, was passiert war. Marjorie Lowe wollte mit Arno Conklin nach Las Vegas, um zu heiraten. Es war eine wunderbare, verrückte Idee. Sie ging nach Hause, um zu packen. Sie hatten vor, noch in der Nacht zu fahren. Wenn Arno Conklin einen Trauzeugen mitbringen wollte, dann Marjorie vielleicht auch. Vielleicht war sie nach oben gegangen, um Meredith zu fragen. Oder sie wollte den Gürtel, den ihr Sohn ihr gegeben hatte, wieder holen. Vielleicht wollte sie sich auch nur verabschieden.
    Aber dann war etwas passiert, als sie bei ihr war. An ihrem glücklichsten Abend war sie von Meredith umgebracht worden.
    Bosch dachte an die Vernehmungsberichte in der Akte. Meredith hatte Eno und McKittrick erzählt, daß Marjories Verabredung von Fox arrangiert worden war. Sie selbst sei nicht zu der Party gegangen, weil Fox sie an dem Abend geschlagen habe und sie sich so nicht in der Öffentlichkeit zeigen konnte. Im Bericht war vermerkt worden, daß sie einen Bluterguß im Gesicht hatte und ihre Lippe gespalten war.
    Warum hatten sie es nicht gemerkt, fragte sich Bosch. Meredith hatte sich die Verletzungen zugezogen, als sie Marjorie umgebracht hatte. Der Bluttropfen auf Marjories Bluse stammte von ihr.
    Aber Bosch wußte, warum sie nicht darauf gekommen waren. Sie hatten jeglichen Verdacht verworfen – falls sie überhaupt einen hatten –, weil sie eine Frau war. Und weil Fox ihre Geschichte bestätigte. Er hatte zugegeben, sie geschlagen zu haben.
    Bosch glaubte jetzt zu wissen, wie es sich abgespielt hatte. Meredith tötete Marjorie und rief Stunden später Fox beim Kartenspiel an und erzählte ihm alles. Sie bat ihn, ihr zu helfen, die Leiche zu beseitigen und sie zu decken.
    Fox mußte sich sofort einverstanden erklärt haben und sogar willig gewesen sein anzugeben, sie geschlagen zu haben. Er begriff die Situation in allen Konsequenzen. Zwar hatte er eine Einnahmequelle verloren, aber das wurde dadurch ausgeglichen, daß der Mord ihm mehr Macht über Conklin und Mittel gab. Um so besser also, wenn der Mord nicht aufgeklärt wurde. Er würde
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