Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
kennen.«
    »Warum?«
    »Chief Irving hat mich heute morgen angerufen und mich gebeten, ihm so bald wie möglich ein positives Gutachten zu schicken, damit Sie Ihren Dienst wiederaufnehmen können.«
    »Das hat er gesagt? Er will ein positives Gutachten?«
    »Ja, das waren seine Worte. Glauben Sie, Sie sind soweit?«
    Er dachte einen Augenblick nach, antwortete jedoch nicht auf die Frage.
    »Hat er das vorher schon mal getan? Ihnen gesagt, wie Sie jemanden bewerten sollten?«
    »Nein, das ist das erstemal und es gefällt mir nicht. Es untergräbt meine Stellung hier, falls ich einfach seine Wünsche erfülle. Es ist ein Dilemma, weil ich nicht will, daß Sie dazwischengeraten.«
    »Wie wäre Ihre Meinung, wenn er Ihnen nicht sagen würde, welches Gutachten er haben will? Positiv oder negativ?«
    Sie spielte ein paar Momente mit dem Bleistift auf dem Schreibtisch, während sie überlegte.
    »Sie sind fast soweit, Harry. Aber ich glaube, Sie brauchen noch etwas Zeit.«
    »Dann schreiben Sie das Gutachten nicht.«
    »Das ist ein ziemlicher Wandel. Vor einer Woche wollten Sie noch nichts dringender, als wieder an Ihren Arbeitsplatz zurückzukehren.«
    »Das war vor einer Woche.«
    Trauer klang in seiner Stimme mit.
    »Machen Sie sich nicht fertig mit der ganzen Geschichte«, sagte sie. »Die Vergangenheit ist wie eine Keule. Wenn Sie sich damit auf den Kopf schlagen, dann tragen Sie früher oder später permanenten Schaden davon. Und ich fürchte, Sie sind nahe dran. Ich weiß nicht, ob Sie etwas auf meine Meinung geben, aber ich glaube, Sie sind ein guter und letztendlich gütiger Mensch. Tun Sie sich das nicht an. Zerstören Sie nicht, was Sie haben, was Sie sind.«
    Er nickte, als ob er verstünde, aber er schob ihre Ratschläge beiseite, sowie er sie hörte.
    »Ich habe in den letzten Tagen viel nachgedacht.«
    »Worüber?«
    »Über alles.«
    »Und haben Sie irgendwelche Entscheidungen getroffen?«
    »Fast. Ich glaube, ich werde meinen Hut nehmen und aus dem Dienst scheiden.«
    Carmen Hinojos beugte sich vor und faltete ihre Arme auf dem Schreibtisch. Sie zog ihre Augenbrauen zusammen und sah ihn ernst an.
    »Was reden Sie da, Harry? Das paßt nicht zu Ihnen. Ihre Arbeit und Ihr Leben sind identisch. Es ist sicher gut, beide Teile ein bißchen auf Distanz zu bringen, aber Sie sollten Ihren Job nicht total aufgeben. Ich …« Sie brach ab, als ihr etwas einzufallen schien. »Soll das Ihre Buße sein? Sühne für das, was passiert ist?«
    »Ich weiß nicht … Ich … Ich muß für das bezahlen, was ich getan habe. Das ist alles. Irving wird nichts tun. Aber ich.«
    »Harry, Sie haben einen Fehler gemacht. Sogar einen schweren Fehler. Und jetzt wollen Sie Ihren Beruf aufgeben? Wo Sie selbst sagen, daß Sie gute Arbeit leisten? Sie wollen das alles wegwerfen?«
    Er nickte.
    »Haben Sie schon Ihren Abschied eingereicht?«
    »Noch nicht.«
    »Tun Sie’s nicht.«
    »Warum nicht? Ich kann nicht mehr so weitermachen. Es ist, als würde ich herumlaufen und Gespenster an einer Kette hinter mir herziehen.«
    Er schüttelte den Kopf. Sie kauten die gleichen Argumente durch, die ihm in den letzten zwei Tagen, seit dem Vorfall in Meredith Romans Haus, durch den Kopf gegangen waren.
    »Entscheiden Sie nichts übereilt«, sagte Hinojos. »Überlegen Sie es sich. Sie haben jetzt bezahlten Urlaub. Nutzen Sie ihn. Ich werde Irving sagen, daß ich ihm noch kein Gutachten geben kann. In der Zwischenzeit denken Sie darüber nach. Fahren Sie irgendwohin und legen Sie sich an den Strand. Überlegen Sie es sich gut, bevor Sie kündigen.«
    Bosch hob seine Hände, er ergab sich.
    »Bitte, Harry. Ich möchte, daß Sie mir zustimmen.«
    »Okay, ich werde darüber nachdenken.«
    »Danke.«
    Sie unterstrich sein Versprechen, indem sie einen Moment schweigend vergehen ließ.
    »Erinnern Sie sich, was Sie über den Coyoten sagten, den Sie letzte Woche auf der Straße gesehen haben?« fragte sie dann ruhig. »Daß es der letzte gewesen sein könnte.«
    »Ich erinnere mich.«
    »Ich glaube, ich weiß, was Sie gefühlt haben. Ich hoffe auch, daß ich den Coyoten nicht zum letztenmal gesehen habe.«

51
    V om Flughafen fuhr Bosch auf dem Freeway bis zur Armenia-Avenue-Ausfahrt und dann südlich bis zum Swann Boulevard. Er stellte fest, er brauchte nicht einmal die Karte des Autoverleihs. Er fuhr Richtung Osten, bis er nach Hyde Park kam, und bog dann auf die South Street zu ihrer Wohnung ab. Am Ende der Straße sah er das Wasser der Bucht im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher