Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
meiner Buße?«
    »Ja, Harry.«
    »Okay, ich spreche vorher mit Ihnen.«
    Er stand auf und versuchte zu lächeln. Es sah jedoch eher wie Stirnrunzeln aus. Dann fiel ihm etwas ein.
    »Ach, ich wollte mich noch entschuldigen, daß ich gestern abend nicht zurückgerufen habe. Ich erwartete einen Anruf und konnte nicht sprechen – und dann habe ich es wohl vergessen. Hoffentlich wollten Sie nur hören, wie es mir geht.«
    »Ist schon gut. Ich habe es selbst vergessen. Ich wollte hören, wie Sie den Rest des Nachmittags mit Chief Irving überstanden hatten. Außerdem wollte ich wissen, ob Sie über die Fotos sprechen wollten. Es spielt keine Rolle mehr.«
    »Sie haben sie angesehen?«
    »Ja, ich hatte ein paar Kommentare, aber …«
    »Lassen Sie hören.«
    Bosch setzte sich wieder. Sie sah ihn an und erwog seinen Vorschlag. Dann entschied sie sich, darauf einzugehen.
    »Ich habe sie hier.«
    Sie beugte sich nach unten, um sie aus einer der unteren Schubladen zu holen, und verschwand dabei fast aus seiner Sicht. Dann tauchte sie wieder auf und legte den Umschlag auf den Schreibtisch.
    »Sie sollten sie wieder mitnehmen.«
    »Irving hat die Akte und die Schachtel mit den Beweisstücken. Alle, außer diesen hier.«
    »Das hört sich an, als ob Sie nicht sehr glücklich darüber wären oder ihm nicht trauen würden. Das ist neu.«
    »Hatten Sie nicht festgestellt, daß ich niemandem traue?«
    »Warum trauen Sie ihm nicht?«
    »Ich weiß nicht. Gordon Mittel ist entlastet und ich muß wieder von vorne anfangen. Ich dachte an den Prozentsatz …«
    »Und?«
    »Ich weiß nicht die exakte Zahl, aber viele Morde werden von den Mördern gemeldet. Zum Beispiel der Ehemann, der weinend anruft und seine Frau als vermißt meldet. Sehr oft spielt einer Theater. Er hat sie umgebracht und denkt, wenn er die Polizei anruft, glaubt jeder, er sei unschuldig. Denken Sie an die Menendez-Brüder. Einer von ihnen ruft heulend die Cops an, daß Mami und Papi tot sind. Dann stellt sich raus, er und sein Bruder haben sie mit der Schrotflinte ins Jenseits befördert. Vor einigen Jahren gab es einen Fall in den Hügeln. Ein kleines Mädchen wurde im Laurel Canyon vermißt. Stand in allen Zeitungen. War im Fernsehen. Also haben die Leute dort oben Suchtrupps organisiert. Nach ein paar Tagen hat einer von ihnen, ein Teenager und Nachbar des Mädchens, ihre Leiche unter einem Baumstamm in der Nähe des Lookout Mountains gefunden. Er war der Mörder. Innerhalb von fünfzehn Minuten hatte ich ihn soweit, daß er die Tat gestand. Während der ganzen Zeit, als nach dem Mädchen gesucht wurde, habe ich nur darauf gewartet, wer sie finden würde. Diese Statistik hilft einem. Ich verdächtigte ihn, bevor ich überhaupt wußte, wer es war.«
    »Irving hat die Leiche Ihrer Mutter gefunden.«
    »Ja. Und er kannte sie vorher. Er hat es mir einmal gesagt.«
    »Hört sich aber unwahrscheinlich an.«
    »Ja. Wahrscheinlich dachten die meisten Leute auch so über Mittel. Bis man seine Leiche aus dem Whirlpool zog.«
    »Gibt es nicht eine Alternative? Ist es nicht möglich, daß die Annahme der ursprünglichen Ermittler richtig war? Daß es ein Sexualmörder war, den man nicht finden konnte?«
    »Es gibt immer alternative Hypothesen.«
    »Aber Sie scheinen dazu zu tendieren, immer eine Autoritätsfigur, jemanden mit Macht, zu beschuldigen. Vielleicht irren Sie sich jedoch in diesem Fall. Eventuell hat das etwas damit zu tun, daß Sie der Gesellschaft die Schuld dafür geben, was man Ihrer Mutter … und Ihnen angetan hat.«
    Bosch schüttelte den Kopf. Er wollte es nicht hören.
    »Wissen Sie, dieser ganze Psycho-Quatsch … ich … Warum beschränken wir uns nicht einfach auf die Fotos?«
    »Entschuldigung.«
    Sie fixierte den Umschlag, als könne sie hineinsehen und die Fotos studieren.
    »Es ist mir schwergefallen, sie anzusehen. Kriminalpsychologisch geben sie nicht viel her. Die Fotos zeigen einen Mord, mit dem jemand etwas ausdrücken wollte. Der Gürtel war noch um den Hals gewunden. Das scheint darauf hinzuweisen, daß der Mörder die Polizei wissen lassen wollte, was er getan hatte, daß es mit Absicht geschah und daß er die Situation unter Kontrolle hatte. Meines Erachtens ist der Ort, wo die Leiche lag, ebenfalls signifikant. Der Container hatte keinen Deckel, er war offen. Man kann annehmen, daß der Mörder die Leiche nicht verstecken wollte. Es sollte vielleicht auch …«
    »Er wollte damit ausdrücken, daß sie Dreck war.«
    »Richtig. Auch das paßt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher