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1756 - Das Grauen hieß Elvira

1756 - Das Grauen hieß Elvira

Titel: 1756 - Das Grauen hieß Elvira
Autoren: Jason Dark
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»Nein, dann wären sie keine Engel, sondern Menschen. Die Engel sind unsterblich. Sie beschützen das Reich Gottes und...«
    Elvira unterbrach sie. »Alle?«
    »Ja, warum nicht?«
    »Da bin ich anderer Meinung. Es gibt auch böse Engel. Höllenengel würde ich sagen. Ja, das ist so.«
    »Aha. Und die sterben?«
    Elvira schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht.«
    »Aber davon hast du doch gesprochen.«
    »Vielleicht, Rita. Aber ich habe andere Engel gemeint. Menschen, die man als Engel bezeichnet. Und das hast du doch mit mir getan. Oder etwa nicht?«
    »Habe ich.« Rita nickte. »Und jetzt denkst du, dass du sterben musst. Oder wie sehe ich das?«
    »So ähnlich. Die Nacht ist eben grausam. Die Dunkelheit ist gefährlich. Das wissen wir beide genau.«
    »Willst du dann hier zurückbleiben?«
    Elvira winkte ab. »Nein, das auf keinen Fall, ich komme schon mit. Wir werden das Thema lassen.«
    »Sehr gut, Elvira, sehr gut.« Rita schaute die jüngere Person an. Allerdings so, dass Elvira es nicht mitbekam. Sie sah die dunklen Haare, die einen Mittelscheitel bildeten, und sie sah auch das Gesicht, das auf keinen Fall einen entspannten Ausdruck zeigte. Eher einen kalten und verbissenen.
    Mit einem Kommentar hielt sich Rita Cromwell zurück. Sie wollte nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. Seltsam war Elvira Littles Verhalten schon. Eigentlich war sie immer aufgeschlossen und auch ein fröhlicher Mensch, aber an diesen Abend war sie genau das Gegenteil.
    Dabei hatte sie sich freiwillig gemeldet für die Fahrt auf der Weihnachtsroute. So wurde die Strecke genannt, die sie fuhren. Von den Mitgliedern der Gemeinde wussten sie, wo Menschen lebten, die sich zu Weihnachten nichts leisten konnten. Dort würden sie ein Paket abgeben. Liebe Menschen hatten Spenden gesammelt und die entsprechenden Pakete gepackt.
    Es war noch nicht ganz dunkel geworden. Das machte nichts. Bis sie die erste Adresse erreichten, war es finster, und dann kam auch so etwas wie ein Weihnachtsgefühl auf, das sich noch verstärken würde, wenn Rita Cromwell in die Augen der Beschenkten schaute, in denen dann Freude und Dankbarkeit glänzten.
    Die kleinen Pakete waren ungefähr alle gleich groß. So konnte man mehr von ihnen in dem Van stapeln, den Rita fahren würde. Die Strecke kannte sie auswendig. Dafür brauchte sie kein Navi. Die Menschen in der Gemeinde würden sich jedenfalls freuen. Und wenn sie das taten, freute sich Rita auch.
    »Fertig, Elvira?«
    »Bei mir ist alles klar.«
    »Super. Dann können wir ja starten.« Rita Cromwell lachte, griff in die linke Seitentasche ihrer Jacke und holte dort eine rote Weihnachtsmütze hervor, die sie überstreifte.
    »Aber wie ein Engel siehst du nicht aus.«
    »Klar, mir fehlen die Flügel.«
    »Die haben nicht alle Engel.«
    »Du kennst dich aber gut aus.«
    »Ein wenig«, gab Elvira zu.
    Beide Frauen saßen im Wagen. Rita hockte hinter dem Steuer und startete den Motor.
    »Auf geht’s. Ab jetzt ist der Himmel offen.«
    Oder die Hölle! Aber das sagte Elvira nicht, sondern dachte sich nur ihren Teil...
    ***
    Perfekt wäre das Wetter gewesen, wenn es geschneit hätte. Aber das war nicht der Fall. Es war kein Schnee gefallen, dafür hatte es ab und zu stark geregnet. Auch in dieser Nacht sollte es Schauer geben. Allerdings erst in der zweiten Hälfte.
    Um sich in Stimmung zu bringen, hatte Rita Cromwell eine CD mit Weihnachtsliedern in den Schlitz gesteckt. Elvira hätte sich eine andere Musik gewünscht, hielt sich aber mit ihrem Wunsch zurück und versuchte, ihr Gehör auf Durchzug zu stellen.
    Die ersten drei Haltepunkte hatten sie rasch hinter sich gebracht. Es waren Familien mit Kindern, die beschenkt wurden. Das tat Rita sehr gern. Da ließ sie sogar Elvira im Wagen, der dies auch ganz recht war. So richtig Lust hatte sie nicht, bei den anderen Menschen anzutanzen. Sie hatte immer das Gefühl, als Störenfried aufzutreten.
    Rita warf sich wieder auf den Sitz. »So, das haben wir hinter uns. Bei den nächsten Familien müssen wir mal schauen.«
    »Wieso?«
    »Die gehören zu den Problemfällen.«
    »Gewalt?«
    Rita nickte einige Male. »Ja, leider. Viel Gewalt. Aber die Frauen nehmen es hin. Sie leiden und denken an die Kinder, die sie nicht allein lassen können. Das macht alles keinen Spaß, wenn du so etwas hörst.«
    »Ja, das glaube ich.«
    »Mal schauen. Es ist noch früh am Abend. Ich hoffe, dass die Leute noch nicht so viel getrunken haben.«
    »Nur die Männer?«
    »In der Regel schon. Aber
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